Union:Zeit für Gefühle

CDU und CSU präsentieren in Berlin gemeinsam ihr EU-Wahlprogramm. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder kriegt sich dabei kaum ein vor Freude.

Von Nico Fried, Berlin

CDU And CSU Approve Joint Policy Platform For European Elections

Gemeinsam für Europa: Angela Merkel und Manfred Weber.

(Foto: Getty Images)

Was man bei Markus Söder womöglich immer unterschätzt hat, ist seine Fähigkeit, große Gefühle zuzulassen. Jedenfalls andere große Gefühle als seinen persönlichen Ehrgeiz. Seit er als Ministerpräsident und CSU-Chef mehr erreichen konnte, als er sich selbst vorgenommen haben dürfte, zwängt sich seine überquellende Freude an Einigkeit und Geschlossenheit durch jedes Knopfloch. Und natürlich versucht Söder auch, dieser Emotion Ausdruck zu verleihen. Bisweilen scheint sein Harmoniebedürfnis inzwischen sogar stärker ausgeprägt zu sein als seine Fähigkeit, dafür ein prägnantes Sprachbild zu finden. An diesem Montag ist er in dieser Hinsicht eher ein Suchender.

Es sei ein "bemerkenswerter Termin gewesen", sagt Söder über die gemeinsame Sitzung der Führungsgremien von CDU und CSU in Berlin, "ein guter Tag". Nicht nur, weil die beiden Schwesterparteien sich neben dem schon länger bestimmten gemeinsamen Spitzenkandidaten Manfred Weber auch auf ein gemeinsames Programm hätten einigen können. Entscheidend sei vor allem "das Wie" gewesen. Man habe ja die Zusammenarbeit von CDU und CSU zuletzt erlebt, da sei, sagt Söder, "immer noch Luft nach oben gewesen". Das ist eine so zutreffende wie zurückhaltende Formulierung - in Inhalt und Art ziemlich genau das Gegenteil von Söders rabaukiger Art, mit der er vergangenes Jahr selbst viel dazu beitrug, die Zusammenarbeit in der Union zu torpedieren.

Annegret Kramp-Karrenbauer nickt gelegentlich. Und sagt: "Der Markus hat recht."

Auch Annegret Kramp-Karrenbauer hat zuvor die Entwicklung quasi nebenbei erwähnt, die in der Union stattgefunden hat, seit CDU und CSU im Asyl-Streit des Sommers 2018 "in den Abgrund" geschaut hatten. So hatte es die damalige CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer selbst formuliert. Ein gemeinsamer Spitzenkandidat und ein gemeinsames Wahlprogramm seien "keine Selbstverständlichkeit", wenn man sich das vergangene Jahr anschaue. Dabei beließ es die CDU-Vorsitzende dann aber auch, obwohl sie selbst sich durch Besuche auf Klausur und Parteitag der CSU und insgesamt mit einer neuen Freundlichkeit gegenüber der Schwesterpartei intensiv um die Wiederannäherung bemüht hatte. So intensiv, dass es auch Stimmen in der CDU gab, AKK übertreibe es vielleicht sogar ein bisschen.

Markus Söder aber sucht weiter die Superlative. Er ist an diesem Montag auf ganz große Oper gestimmt. Das Programm, das man geschrieben habe, sei "aus einem Guss", schwärmt er. Ziel sei ein starkes Europa, das zusammenhalte und "einen Fuß in der Tür der Weltpolitik" habe. Und Sicherheit soll es bieten, aber ohne soziale Gleichmacherei. Es sei ein Programm, "das so letztes Jahr nicht möglich gewesen wäre", sagt Söder. Jetzt aber sei da "eine Harmonie", eine "große Übereinstimmung", ein "neues gemeinsames Wir", eine "große Freude, die in beiden Parteien zu spüren" sei. Selbst in der Migrationspolitik habe die Union nun eine Programmatik, die dem entspreche, was "tief in den Herzen von CDU und CSU fühlbar ist". Söder meint damit, dass man keine ungeregelte Zuwanderung wolle, aber trotzdem Humanität. Der CSU-Vorsitzende, er wirkt geradezu beseelt, als er irgendwann sagt: "Das fühlt sich gut an."

Kramp-Karrenbauer nickt gelegentlich zu dem, was Söder da redet. Einmal sagt sie ausdrücklich: "Der Markus hat recht." Da geht es gerade ums Klima, allerdings das globale, nicht das unionsinterne. Kramp-Karrenbauer behauptet, die Union habe eine "klare Vision" eines Europas, das vielfältiger geworden sei, aber trotzdem stark sein müsse. Ein Europa, das sich auch in der Weltpolitik "nicht zurücklehnt". Natürlich taucht die Frage auf, ob die CDU nun nach rechts gerückt sei oder die CSU nach links. Kramp-Karrenbauer sagt, beides stimme nicht. Die Union habe sich breit aufgestellt, was eher danach klingt, als behalte jeder noch ausreichend Luft in der gegenseitigen Umarmung. Söder hingegen sagt, beide seien "aufeinander zugerückt", also quasi jetzt Engtanz.

Ach ja, Manfred Weber, der ist auch da. Der gemeinsame Spitzenkandidat steht nicht in der Mitte, sondern an der Seite. Dass er immer ein bisschen leiser redet als andere, verstärkt an diesem Tag noch den Eindruck, er sei nicht wirklich mittendrin, sondern nur dabei. Weber betont wiederholt einen Kern des Programms, dass man vor allem die Rechtspopulisten bekämpfen wolle, die eine Gefahr für Europa seien. Aber erst zum Ende hin macht Weber eine Art Führungsanspruch deutlich, als er ankündigt, als Kommissionspräsident die Steuerpolitik "zur Chefsache" machen zu wollen. Die Frage der Steuergerechtigkeit müsse man "zufriedenstellend beantworten", sagt Weber, der vielleicht an diesem Tag einfach aus parteiinterner Solidarität nicht prägnanter formulieren wollte als sein Vorsitzender.

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