Es ist eine heile Welt, die Peter Tauber da vorstellt. Konzentriert bearbeitet ein Tischler sein Werkstück. Eine Welle der guten Laune schwappt durchs Wohnzimmer einer jungen Familie. Eine Polizistin und ein Polizist gehen im gleißenden Sonnenlicht Streife. "Für gute Arbeit und gute Löhne" steht auf einem Plakat. "Familien sollen es kinderleichter haben" und "Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind" auf den anderen. Deutschland geht es doch gut, das ist die Botschaft, die der CDU-Generalsekretär bei der Vorstellung der neuen Unions-Wahlplakate verströmt.
Den Wahlstrategen der Union ist es gelungen, Allgemeinplätze zu erdenken, die vermutlich sogar Linksradikale und Nationalkonservative unterschreiben würden. Doch wenn jeder zustimmt, was sind die Aussagen dann noch wert? Während Deutschland über millionenfachen Dieselbetrug diskutiert, zahllose Straßen und Brücken einer dringend notwendigen Sanierung harren und Italien den Flüchtlingen an seinen Küsten nicht mehr Herr wird, macht die Union einen inhaltsbefreiten Sonnenschein-Wahlkampf. Alles super, schreit es von den Plakaten. Und bald sogar noch besser! Dass das noch jede regierende Partei getan hat, macht es aber nicht besser.
Eine Million Exemplare einer Broschüre über die Kanzlerin hat die Union drucken lassen. Merkel in Fabriken, Merkel mit Brillen, Merkel mit Kindern, mit Randgruppen, mit Europa-Flaggen und mit Staatslenkern. Auf der Rückseite macht die Kanzlerin Grimassen. Anders als SPD, Grüne, Linke und FDP enthüllt die CDU ihre Wahlplakate nicht, sie werden nicht aufwändig inszeniert. Sie stehen einfach schon im Konrad-Adenauer-Haus herum. Warum auch nicht? All dies ist eine Variation des "Sie kennen mich", mit dem die Kanzlerin 2013 für ihre Wiederwahl warb. Leider hat die Union auch anno 2017 wenig Neues anzubieten.
Die Union verteilt Zuckerstückchen, mehr nicht
Zumindest bietet sie keine Vision. Wie verändert sich Deutschlands Rolle in der Welt, welche Rolle will das Land künftig spielen? Wie könnte das krisengeplagte Europa gestärkt werden? Wie bleibt Deutschland Autonation Nummer eins? Was müssen wir jetzt tun, dass auch die heute Berufstätigen einmal ausreichende Renten erwarten können? Statt in Wahlprogramm und auf Plakaten die dicken Bretter zu bohren, wirft die Union vielen Menschen ein paar Stückchen Zucker hin. Etwas mehr Kindergeld für Familien, etwas Steuerersparnis für Steuerzahler, etwas mehr Polizisten für etwas mehr Sicherheit.
Das Schlimme: Das Konzept funktioniert. Natürlich fällt das gleichermaßen auf die Mitbewerber zurück, die es nicht schaffen, CDU und CSU im Wahlkampf vor sich her zu treiben. Und so ist die Union der SPD in den Umfragen weit enteilt. Es wirkt, als hätte Merkel den "Schulzzug" ihres Herausforderers Martin Schulz (SPD) gekapert, die Genossen in den letzten Waggon gesetzt und abgekoppelt. Grüne, FDP und Linke sind zwar noch an Bord, lärmen aber nur noch im Kinderabteil. Der Rest des Landes döst im Schlafwagen vor sich hin.
Es ist absehbar, dass die Union auch in der kommenden Legislatur die Kanzlerin stellen wird. Umso erschreckender, dass CDU und CSU den Wählern wenig mehr bieten als ein mit Schwarz-Rot-Gold unterlegtes "Weiter so". Deutschland steht in vielerlei Hinsicht gut da, keine Frage. Doch abseits von Schönheitsreparaturen in der Steuer-, Familien- oder Sicherheitspolitik sollten Angela Merkel und die Union endlich ihre Standpunkte klarmachen. Und den Wählern keinen Sonnenschein präsentieren, sondern konkrete Vorstellungen, wie sie Deutschland nicht nur verwalten, sondern bereit für die Zukunft machen wollen.