Roderich Kiesewetter:Schelte vom Chef

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Roderich Kiesewetter (CDU) will im Fall der Ukraine regelmäßig mehr als seine Fraktion und sagt das auch in vielen Fernsehauftritten und Interviews. (Foto: Bernd Elmenthaler/Imago)

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter fordert ständig mehr Hilfe für die Ukraine. Einige in der Union sind von den Alleingängen genervt. Jetzt versucht es Friedrich Merz mit einem Machtwort.

Von Robert Roßmann, Berlin

Eigentlich ist im Grundgesetz alles klar geregelt. Die Abgeordneten seien „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, heißt es in Artikel 38. Weil Fraktionsspitzen Interesse an einem möglichst geschlossenen Auftritt ihrer Abgeordneten haben, ist die Praxis aber komplexer. Das zeigt gerade der Fall Roderich Kiesewetter.

Der Christdemokrat sitzt seit 2009 im Bundestag, er wurde in seinem Wahlkreis viermal hintereinander direkt gewählt. Vor seiner Zeit im Parlament war Kiesewetter unter anderem Kommandeur eines Raketenartillerielehrbataillons. Der Oberst a.D. ist zweifelsohne ein Experte für Verteidigungspolitik. Doch einige seiner Fraktionskollegen und Parteifreunde sind schwer von ihm genervt. Sie werfen ihm unabgesprochene Alleingänge vor. Dabei geht es meistens um Umfang und Art der militärischen Unterstützung der Ukraine.

Kiesewetter will regelmäßig mehr als seine Fraktion und sagt das auch in vielen Fernsehauftritten und Interviews. Dabei sind für das Thema formal Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) und der Chef der AG Verteidigung, Florian Hahn (CSU), zuständig. Zuletzt hat Kiesewetter verlangt, dass die Bundesregierung eine Haushaltsnotlage erklären soll, um die Ukraine noch stärker unterstützen zu können. „Der Krieg lässt sich nur mit Schulden gewinnen“, sagte Kiesewetter dem Spiegel. Das haben in der Union viele als Absetzen von der Schuldenbremse verstanden, die Fraktionschef Friedrich Merz keinesfalls aufgeben will.

Merz: keine Alleingänge mehr

Die Äußerungen Kiesewetters werden in der Öffentlichkeit oft als Forderungen der gesamten CDU wahrgenommen – und damit haben viele in Partei und Unionsfraktion ein Problem. In der Sitzung des Fraktionsvorstands am Montag wandte sich Merz deshalb an Kiesewetter. Er wolle keine weiteren Alleingänge mehr, sagte der Unionsfraktionschef. Vor den wichtigen Wahlen in diesem Jahr sei Geschlossenheit nötig. Und so kurz vor der Europawahl brauche man keine unnötigen Debatten in der Partei über die Schuldenbremse oder die Ukrainepolitik. In den ostdeutschen CDU-Landesverbänden haben es die Wahlkämpfer schon jetzt sehr schwer, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu verteidigen.

Kiesewetter möge doch bitte die Positionen, auf die sich die Unionsfraktion verständigt habe, auch nach außen vertreten und nicht darüber hinaus gehen, verlangte Merz. Im Umfeld des Fraktionschefs wurde darauf verwiesen, dass Kiesewetter in der Fraktion lediglich Fachsprecher für Krisenprävention sei – da brauche er sich doch nicht zum Haushalt zu äußern. Kiesewetter halte sich für wichtiger, als er sei.

Doch außerhalb der Fraktion ist Kiesewetter wegen der vielen TV-Auftritte präsenter als Florian Hahn und andere eigentlich Zuständige. Am Mittwochabend saß Kiesewetter schon wieder bei Markus Lanz. Streitbare Politiker sind für Talkshows interessant. Und Kiesewetter kämpft mit Nachdruck für seine Positionen. Im vergangenen Jahr griff er zum Beispiel Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) wegen dessen skeptischer Haltung zu den Waffenlieferungen hart an.

Und wie geht es jetzt weiter? Kiesewetter will zu der Schelte von Merz öffentlich nichts sagen. Am Donnerstag postete er auf der Plattform X aber einen Videoausschnitt von seinem Auftritt bei Lanz – und versah ihn mit der Bemerkung: „Es ist Aufgabe von uns Politikerinnen & Politikern, uns klar zu positionieren und Haltung zu zeigen. Das gibt Orientierung und schafft Vertrauen.“

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