Süddeutsche Zeitung

Union:Das wahre Duell: Seehofer gegen Merkel

Geredet wird kaum über Inhalte, wohl aber über den Stil der Kandidatin: Horst Seehofers Wahlkampf ist ein Misstrauensvotum gegen Angela Merkel - für die CDU-Chefin werden die letzten Tage vor der Wahl zur Zitterpartie, wie sie ungemütlicher nicht sein könnte.

Stefan Braun

Wenn Horst Seehofer und Angela Merkel öffentlich übereinander reden, klingt das immer nett und freundlich. Seehofer sagt über Merkel, sie sei "eine gute und starke Kanzlerin". Er lobt, dass sie "auf die Kraft der Argumente" setze. Und nach dem TV-Duell sagte er, er sei "sehr zufrieden".

Merkel ihrerseits nennt Seehofer einen "Vorkämpfer für die menschliche Gesellschaft", einen, der sich "für die Solidarität der Starken mit den Schwachen" einsetze und seine Energie "zum Wohle von CDU und CSU" verwende. Nun ist Politik immer auch eine Frage von Präsentation, schönen Bildern und höflichen Floskeln. Diese Sätze aber verdienen nur noch Hohn und Spott angesichts des Streits um Kurs und Kampfeslust zwischen Berlin und München.

Franz Müntefering hat vor vier Jahren den Wahlkampfsatz geprägt: Die kann es nicht. Seehofer versendet in diesen Monaten die Botschaft: Die kann keinen Wahlkampf. Anders lässt sich nicht mehr erklären, was der CSU-Vorsitzende dem Publikum seit Wochen bietet. Er widerspricht der CDU-Vorsitzenden in den Inhalten, so beim EU-Begleitgesetz, beim Gesundheitsfonds, jetzt auch beim 100-Tage-Programm. Er kritisiert ihre Tonlage, die leidenschaftlicher und aggressiver sein soll. Und er gefährdet ihre Pläne, indem er die FDP lieber quält statt pflegt. Ein solches Misstrauensvotum gegen den eigenen Kanzlerkandidaten hat es in der Geschichte der Union noch nicht gegeben.

Damit ist nichts ausgesagt über die Frage, wer am Ende mehr Erfolg hat. Viel aber ist darüber gesagt, wer in diesem Wahlkampf die eigentlichen Wettbewerber sind. Das wahre Duell bestreiten nicht Merkel und Steinmeier, nicht Westerwelle und Lafontaine, sondern die Parteichefs der beiden Schwestern.

Lange Zeit konnten Optimisten in der Union noch hoffen, hier handele es sich um eine besonders ausgeklügelte Form der Wählersammlung, wobei der Jeden-Tag-ein-neues-Thema-Seehofer im Süden ein Wahlkampfspektakel abzieht, während die Ich-schwebe-über-allem-Merkel im Norden unsichere Seelen einfängt. Mittlerweile aber überdecken deren Widersprüche alles andere. Geredet wird kaum über Inhalte, wohl aber über den Stil der Kandidatin. Das ist Gift für Merkels Streben nach Seriosität. Und es macht den Wahlkampf für sie zu einer Zitterpartie, wie sie ungemütlicher nicht sein könnte.

Die Ursache für den Konflikt ist nicht in den vergangenen Wochen erwachsen. Seehofer und Merkel stehen für zwei andere Grundvorstellungen davon, wie man Politik macht. Seehofer will, wie Franz Josef Strauß, Politik stets mit Show und Gefühl vermengen. Er setzt auf die Mobilisierung der eigenen Leute.

Merkel dagegen will jede Zuspitzung vermeiden. Sie fürchtet die Mobilisierung der anderen Seite. Stoppen freilich kann sie Seehofer nicht mehr. Er weiß, dass er auch nach dem 27. September im Amt bleibt. Für Merkel dagegen kann alles vorbei sein. Sollte es so kommen, dann hätte Seehofer daran kräftig mitgewirkt.

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SZ vom 18.09.2009/maz/mati
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