Union contra FDP:"Jetzt ist Schluss mit lustig"

Die Schwarzen und Gelben sind nervös - nur so ist zu erklären, dass sie aufeinander herumhacken. Nun hat FDP-Chef Westerwelle genug. Er schimpft: "Die Union schießt aufs falsche Tor."

S. Braun, Berlin

Er hatte das nicht vor, er scheute es sogar lange. Aber dann muss Guido Westerwelle am Wochenende was Größeres über die Leber gelaufen sein. Man muss nicht lange grübeln, was das war: Es war Angela Merkel.

Union contra FDP: "Eine Eselsgeduld" - doch jetzt ist dem FDP-Chef Guido Westerwelle der Kragen geplatzt.

"Eine Eselsgeduld" - doch jetzt ist dem FDP-Chef Guido Westerwelle der Kragen geplatzt.

(Foto: Foto: Getty)

Anders lässt sich nicht erklären, warum Westerwelle in seine Parteizentrale stapft, die Pressekonferenz seines Generalsekretärs Dirk Niebel kurzerhand in eine seiner selbst verwandelt, um zu erklären: "Ich hatte eine Engelsgeduld, manche könnten sagen eine Eselsgeduld, aber jetzt ist gut."

Nun ist der FDP-Chef wahrlich keiner, der sich gern in die Nähe eines Esels rückt - ein Tier, das nicht gerade als helle gilt und eine Weile braucht, bis es begreift. Diesmal aber ist ihm das Bild spontan eingefallen, was zeigt, wie sauer er ist über die Stänkereien zwischen FDP und Union.

Er will zeigen, dass für ihn eine Grenze erreicht ist. "Die Union hat uns zum strategischen Gegner erklärt, sie kämpft gegen die FDP, sie schießt aufs falsche Tor, jetzt ist Schluss mit lustig."

Natürlich steckt die Berliner Politik inzwischen im Wahlkampf, noch dazu in einem, der meist ziemlich stromlos daher kommt. Also versucht mancher, hier und da mal etwas Schärfe in die Auseinandersetzung zu bringen.

Trotzdem ist Westerwelles Auftritt an diesem Montag wohl mehr als nur eine Randnotiz auf dem Weg zum Wahltag. Seit Wochen provozieren sich Schwarze und Gelbe gegenseitig.

Mal erklärt der nächste Ach-So-Gern-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle von der FDP, die CSU setze auf "parasitäre Publizität", weil sie von der FDP andauernd immer noch ein Bekenntnis zum schwarz-gelben Bündnis einfordere. Dann wieder schimpft CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, die FDP müsse erst beweisen, dass sie in der Lage sei, Koalitionsverhandlungen zu führen.

Leute aus der zweiten Reihe reden von "Zicken", Seehofer vom Sensibelchen Westerwelle. So aggressiv entwickelte sich das Hin und Her, das Unionsfraktionschef Volker Kauder sich vor einer Woche bemüßigt fühlte, dem Treiben Einhalt zu gebieten. "Es reicht", hatte er gerufen, "die Attacken müssen aufhören."

Gehalten hat Kauders Appell genau eine Woche, dann ist Westerwelle der Kragen geplatzt. Der Grund: Ausgerechnet seine Duz-Freundin Angela erklärte am Wochenende, sie sei zwar für eine bürgerliche Koalition, aber einen Koalitionswahlkampf werde sie nicht führen. Damit habe Merkel den Streit nicht beendet, sondern ausgeweitet. "Wenn es sich weiter auf die CSU beschränken würde, hätte ich mich hier heute nicht hingestellt", sagt Westerwelle.

Nervosität in München

Für die FDP nähert sich das Verhalten der Union dem Absurden. Andauernd verlange sie eine absolut eindeutige Koalitionsaussage der FDP - um im nächsten Atemzug für sich selbst absolute Eigenständigkeit zu signalisieren.

Doch tatsächlich läuft für ihn die Zeit des Geplänkels insgesamt ab. Hinter dem Gestänker verbergen sich bei manchem eben doch handfeste Sorgen. Merkel selbst weiß, dass sie bis zum Wahltag noch zulegen muss. Bislang hat sie im Vergleich zu den 35,2 Prozent bei der Wahl 2005 für die Union fast nichts hinzugewonnen.

Sollte es dann auch noch knapp werden mit dem schwarz-gelben Bündnis, das viele konservative Anhänger von ihr erwarten, käme heftige Kritik auf. Umso mehr muss sie schauen, dass die Union auf 38, 39 Prozent kommt - was intern viele eh schon kaum mehr für möglich halten.

Neoliberales Streichkonzert

Nicht minder nervös ist der Bayer Horst Seehofer. Bleiben die Umfragen wie sie sind, dann würde seine CSU gerade mal halb so viele Abgeordnete ins Parlament schicken wie die FDP - eine aus seiner Sicht fatale Ausgangslage für eine Koalitionsbildung.

Kein Wunder, dass er sich zur Zeit schon fast wie ein Sozialdemokrat anhört: "Wenn Herr Westerwelle glaubt, es wird nach der Wahl ein neoliberales Streichkonzert geben, lernt er den Widerstandsgeist der CSU kennen." Westerwelle interpretiert das als Manöver der anderen, die in Wahrheit erneut in eine große Koalition drängten.

Dass auch bei ihm Nervosität mitschwingt in diesen Tagen, kann man beim Namen Guttenberg spüren. Der möge endlich nicht mehr nur "lächeln, sondern liefern", so Westerwelle. Immerhin sei Guttenberg "Bundeswirtschafts- und nicht Bundeswahlkampfminister".

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