Süddeutsche Zeitung

Unicredit:Europas schwache Banken

Die italienische Bank ist ein Konstrukt des europäischen Traums, ein grenzüberschreitendes Institut zu schaffen. Nun steht es für die Schwäche von Europas Banken, Milliarden fauler Kredite sind aufgelaufen. Davon könnte die US-Konkurrenz profitieren.

Von Andrea Rexer

In einer Zeit, als schillernde Bankchefs noch angesagt waren, träumte Alessandro Profumo davon, aus den italienischen Sparkassen eine europäische Großbank zu schmieden. Er kaufte in Deutschland die HypoVereinsbank, in Österreich die Bank Austria und zog dann weiter nach Osteuropa. Sein Traum war die logische Folge aus der europäischen Einigung mit seiner gemeinsamen Währung. Doch dann kam die Finanzkrise, der Euro geriet unter Druck. Beim Versuch, die Krise zu bekämpfen, zog sich die Politik schnell hinter nationale Grenzen zurück. Die Unicredit ist ein Spiegelbild dessen: Keine andere Bank auf dem Kontinent zeigt so deutlich, wie der europäische Traum in die Brüche ging.

Viele Kreditinstitute haben ihre Probleme zu spät angepackt

Statt hochfliegender Visionen stehen jetzt mühsame Aufräumarbeiten auf der Tagesordnung. Und die kosten viel Geld: 13 Milliarden Euro will sich Unicredits neuer Chef Jean-Pierre Mustier von den Anlegern holen. Gelingt ihm das, wäre es die größte Kapitalerhöhung in der Geschichte Italiens. Mustier braucht das Geld nicht, um das Geschäft in Europa wieder auszubauen, sondern um sein Institut zu verschlanken und von Altlasten zu befreien - acht Jahre nach der Finanzkrise. Sein Plan geht mit einem enormen Arbeitsplatzabbau einher, der auch den Geschäftsbereich in Deutschland trifft. Diese harten Einschnitte und die Rückwärtsgewandtheit erinnern an die Probleme einer anderen europäischen Bank: der Deutschen Bank. Doch während die Altlasten der Frankfurter auf krumme Geschäfte aus der Zeit vor der Finanzkrise zurückgehen, für die sie nun Strafen, Bußgelder oder Vergleichszahlungen leisten müssen, sitzen die Mailänder auf einem Berg fauler Kredite. Die Altlasten stammen also aus dem Brot-und-Butter-Geschäft einer Bank, Probleme mit ihrem Ruf haben die Mailänder daher kaum. Bei allen Unterschieden zeigt sich bei beiden Banken eine wichtige Gemeinsamkeit: Sie haben ihre jeweiligen Probleme nicht beizeiten angepackt. Das unterscheidet sie von ihren Konkurrenten aus den USA, die bereits seit einiger Zeit wieder satte Gewinne einfahren: Die US-Regierung hat den Banken schnell in großem Ausmaß Staatsgeld aufgedrängt und eine Bereinigung der Bilanzen erzwungen. Italien hingegen stützte zum Höhepunkt der Krise seine Banken kaum, die Regierungen waren damit beschäftigt, die eigene Staatspleite abzuwenden. In Deutschland gab es zwar Staatsgelder, aber die Deutsche Bank hat sie naserümpfend abgelehnt.

Das wäre bei Weitem nicht so tragisch, wenn nicht die chronische Schwäche der europäischen Banken zum ernsthaften Problem für die europäische Wirtschaft werden könnte. Würden die US-Banken die Europäer vom Markt verdrängen, hätten vor allem Mittelständler ein Problem: Denn US-Banken vergeben kaum Kredite, stattdessen helfen sie Unternehmen, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Für große Unternehmen ist das machbar, für kleine ist es mit hohen Hürden verbunden.

Doch so weit muss es nicht kommen. Es ist ein gutes Zeichen, dass der neue französische Chef der Unicredit viel dafür tut, sich vom früheren politischen Sumpf, in dem die Bank gefangen war, zu lösen. Zudem baut er faule Kredite konsequent ab, was die Anleger mit einem Kurssprung belohnt haben.

Auch wenn Mustier die Eigenständigkeit Unicredits mehrfach betonte - Gerüchte, dass sich eine der französischen Großbanken mit Unicredit oder mit der Deutschen Bank zusammenschließen könnten, flammen in regelmäßigen Abständen auf. Sie werden umso realistischer, je sauberer die Bankbilanzen sind. Gelingt das den Banken, könnte die Finanzkrise mit jahrelanger Verspätung am Ende doch noch dafür sorgen, dass es eine europaübergreifende Bank gibt. Für die Wirtschaft wäre das eine gute Nachricht.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2016
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