Zunahme "assymetrischer Kriege" gefährdet Kinder
Die steigende Zahl sogenannter "assymetrischer Kriege", also von Kriegen zwischen ungleichen Gegnern, führt dazu, dass immer mehr Kinder in Kriegs- und Krisengebieten Gewalt und Hass ausgesetzt sind. Das zeigt der am Dienstag veröffentlichte Bericht "Kinder zwischen den Fronten" des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef).
"Kriege werden nicht mehr geführt, um auf dem Schlachtfeld zu siegen, sondern um die Bevölkerung der gegnerischen Seite zu unterwerfen", heißt es in der Zusammenfassung des Reports. Kinder würden oftmals direkt zur Zielscheibe von Gewalt, um ganze Bevölkerungen zu terrorisieren und weltweit Schrecken zu verbreiten.
Übergriffe auf Kinder immer gewalttätiger
So haben dem Unicef-Report zufolge auch die Fälle schwerer Gewalt gegen Jungen und Mädchen "dramatisch zugenommen". Hier sei ein Trend hin zu einer "unglaublichen Brutalisierung" erkennbar, sagte Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland, der SZ. Diese Entwicklung sei "extrem besorgniserregend", sagte Tarneden.
Die Angriffe auf Schulen nähmen weltweit zu. Kinder würden immer häufiger entführt, beispielsweise in Nigeria oder im Irak, sagte Tarneden. Oder sie würden gezwungen zuzusehen, wie ihre Eltern getötet werden - eine ebenfalls besonders brutale Form der Folter. Der Bericht nennt überdies die sexuelle Versklavung von Kindern und Jugendlichen sowie Hinrichtungen und den Missbrauch von Minderjährigen als Soldaten und Selbstmordattentäter.
Ursachen für die Brutalisierung
Unter den Auseinandersetzungen leidet die Zivilbevölkerung. Das aber auch die lange Dauer von Konflikten führe Tarneden zufolge dazu, dass zivilisatorische Standards verloren gehen. Der Terror gegen die Kinder schade den Gesellschaften auch langfristig enorm.
Besonders skrupellos werden zudem Konflikte ausgetragen, die religiös aufgeladen sind - derzeit zweifellos sehr gut zu sehen am Vorgehen der Terromiliz Islamischer Staat im Irak und Syrien oder der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria. "Die Menschen fühlen sich auf einer Mission, da ist die Bereitschaft, ethische Hemmschwellen beiseite zu lassen, sehr groß", sagt der Unicef-Sprecher.
Tarneden weist jedoch darauf hin, dass nicht nur die Fanatiker Übergriffe auf Kinder verüben. Auch von der syrischen Regierung seien Kinder in Gefängnissen gefoltert worden.
230 Millionen Kinder leben in Kriegsgebieten
Insgesamt wuchsen Unicef zufolge 2014 etwa 230 Millionen Kinder in Konfliktgebieten auf - das ist weltweit jedes zehnte Kind. Er gehe davon aus, dass die Zahl der Minderjährigen, die in Konfliktgebieten und in instabilen Staaten leben, in den kommenden drei Jahren noch weiter ansteigen wird, sagte Unicef-Programmdirektor Ted Chaiban bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.
Das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder und Zivilisten ist dem Bericht zufolge derzeit in Syrien, im Irak, im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik besonders hoch. Besorgniserregend sei die Situation jedoch auch in Libyen im Jemen und in Palästina.
Unicef mahnt mehr Hilfe für Kinder in Kriegsgebieten an
Unicef ruft Regierungen und Konfliktparteien in aller Welt zum besseren Schutz von Kindern in Kriegsgebieten auf. Die grundlegenden Rechte von Kindern müssten geachtet werden. Dazu sei eine engere Verknüpfung von Nothilfe mit langfristig angelegter Entwicklungshilfe nötig, erklärte Unicef. Insbesondere müssten betroffene Kinder mehr psychosoziale Betreuung erhalten.
"Es besteht die Gefahr, dass ganze Generationen von Kindern Gewalt und Instabilität als normalen Teil ihres Lebens ansehen, diese Erfahrung darf sich nicht verfestigen", sagte Programmdirektor Chaiban. Humanitäre Hilfe müsse auch langfristige Perspektiven für Kinder und Jugendliche schaffen.
Im Rahmen der Nothilfe gehe es daher nicht nur um Wasser, Medikamente oder Nahrung, sagte Unicef-Sprecher Tarneden der SZ. Wichtig sei auch, die oft traumatisierten Kinder in den Konfliktgebieten selbst zu stabilisieren, durch Schulunterricht oder die Einrichtung von Jugendtreffs.