Ungarn:Bleiben oder gehen?

Ungarn: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán.

(Foto: Attila Kisbenedek/AFP)
  • Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán heizt Spekulationen um einen möglichen Austritt seiner Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei an.
  • Zwischenzeitlich gibt es aber auch immer wieder Signale der Entspannung aus Ungarn.
  • Besonders die deutschen Unionsparteien sind noch unentschlossen, ob sie einen Rauswurf der Fidesz aus der Parteienfamilie befürworten.

Von Peter Münch, Wien

Fliegt er raus? Geht er freiwillig? Knickt er ein? Der Konflikt zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán samt seiner Fidesz-Partei und den bisherigen Partnern in der Europäischen Volkspartei (EVP) erfährt täglich neue Wendungen und Weiterungen. Mal erscheint ein Bruch unausweichlich, mal kommen Signale der Entspannung. Die Dramaturgie dahinter wird von Budapest aus in bewährter Orbán'scher Manier gesteuert. Er betreibt die Politik gern nach Art der Springprozession: zwei Schritte vor, einer zurück, und wenn es sein muss, gibt's auch mal einen Satz zur Seite. Das verwirrt die Kontrahenten und lässt Orbán bis zum Schluss alle Optionen offen.

Den vorläufigen Höhepunkt einer Woche der gezielten Widersprüchlichkeit inszenierte der Regierungschef am Freitag im Interview mit dem staatlichen Radio. Dort gibt er allwöchentlich seine Sicht auf die Welt und die Nation kund, zum aktuellen Fall orakelte er: "Es kann sein, dass unser Platz nicht in der EVP ist." Zwar würde er lieber im konservativen Parteienbündnis bleiben. Voraussetzung sei aber eine Veränderung der Volkspartei, sie müsse die Einwanderung konsequent ablehnen. Ansonsten könnte die Debatte auch mit einem Austritt von Fidesz enden.

Am 20. März soll über die EVP-Mitgliedschaft der Fidesz abgestimmt werden

Wohin eine Neuausrichtung führen könnte, fügte er gleich an: "Der erste Ort für Gespräche wäre dann Polen." Damit das nicht als leere Drohung verstanden wird, kündigte Orbán schon für diesen Sonntag eine Reise nach Warschau an. Die dort regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zählt derzeit im Europaparlament zur EU-skeptischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR). Den roten Teppich ausgerollt hat aber längst auch schon die in Österreich mitregierende FPÖ, die auf ein breites rechtspopulistisches Bündnis mit Orbán, der italienischen Lega von Matteo Salvini und Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National hofft. Orbán also hat reichlich Optionen jenseits der EVP, und er weist neuerdings gern darauf hin.

Einen gegenläufigen Kurs hatte allerdings tags zuvor sein eloquenter Kanzleramtsminister und Fidesz-Vize Gergely Gulyás ausgegeben: "Fidesz ist Mitglied der EVP und will auch ihr Mitglied bleiben", sagte er auf einer Pressekonferenz in Budapest. Es gebe "mehr Verbindendes als Trennendes". Zugleich bekräftigte er, dass die Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die den Konflikt hatte hochkochen lassen, nächste Woche eingestellt wird. Juncker ist darauf zusammen mit dem US-Milliardär George Soros zu sehen, im Verbund würden sie angeblich die illegale Einwanderung nach Europa befördern.

Vereinzelt gibt es positive Signale aus Ungarn

Gulyás zufolge soll dieses Plakat auch nicht, wie zuvor von Orbán angekündigt, durch eine ähnlich gelagerte Kampagne gegen Junckers Stellvertreter Frans Timmermans ersetzt werden, den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten bei der Europawahl im Mai. Stattdessen sollen nun Poster für die von der Regierung propagierte Geburtensteigerung kommen.

Das könnte man als Rückzieher aus Budapest verstehen, weil mit dem Ende der EU-feindlichen Plakataktionen zumindest eine der drei Bedingungen erfüllt wird, die der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber der Fidesz-Partei für einen Verbleib in der EVP gestellt hatte. Weber hatte außerdem noch eine Entschuldigung Orbáns und eine sichere Zukunft für die von Soros gegründete Central European University in Budapest gefordert, die sich wegen des Drucks der Regierung zum Umzug nach Wien gezwungen sieht. Weber jedenfalls sprach nach Gulyás' Auftritt von einem positiven Signal.

Befürchtet wird eine Ost-West-Spaltung der EVP

Zum Gesamtbild gehört allerdings noch das verbale Sperrfeuer, das die als Sprachrohr der Regierung geltende Zeitung Magyar Nemzet gegen die EVP eröffnet hat. Sie sei nicht mehr "von Sozialisten und Liberalen zu unterscheiden", weshalb Fidesz das "beschämende Geschacher" beenden und sich "der neuen europäischen Rechten" zuwenden solle.

So werden die Partner in der EVP einem ständigen Wechselbad ausgesetzt, offenbar mit dem Ziel, einen Keil in die Parteienfamilie zu schlagen. Zwölf Mitgliedsparteien aus neun EU-Staaten haben sich inzwischen dafür ausgesprochen, die Fidesz-Mitgliedschaft zu beenden oder auszusetzen. Abgestimmt werden soll darüber bei der EVP-Vorstandssitzung am 20. März. Andere, allen voran die deutschen Unionsparteien, zeigen sich noch unentschlossen. Befürchtet wird nicht nur ein Wegfall der Fidesz-Stimmen im EU-Parlament, sondern schlimmstenfalls eine Ost-West-Spaltung der EVP.

Knapp zwei Wochen verbleiben noch bis zur EVP-Sitzung - und weitere Volten sind zu erwarten. Orbán hat am Freitag noch wissen lassen, dass "große Verhandlungen" geführt würden. Er habe mit Juncker telefoniert, mit Weber und vielen Regierungschefs. Die Telefonleitungen würden schon "glühen".

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