Süddeutsche Zeitung

Ungarn:Bürger bestimmen Herausforderer von Orbán

In Ungarn konnte erstmals jedermann mitentscheiden, wer Oppositionsführer wird. Die Wahl überraschend gewonnen hat der parteilose Konservative Péter Márki-Zay. Er soll nun den rechtsnationalen Regierungschef ablösen.

Erstmals haben die Ungarn mitentschieden, wer ihr Oppositionsführer wird. Das Rennen machte überraschend der parteilose Konservative Péter Márki-Zay. Er wird damit als Oppositionskandidat den rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bei der Parlamentswahl 2022 herausfordern. Der 49-Jährige gewann überraschend eine von der Opposition organisierte Vorwahl mit deutlichem Vorsprung vor seiner sozialdemokratischen Rivalin Klára Dobrev, wie die Vorwahlkommission am Sonntagabend mitteilte. Demnach kam Márki-Zay auf 56,7 Prozent der Stimmen und Dobrev auf 43,3 Prozent.

Eine derartige Vorwahl gab es in Ungarn zum ersten Mal. Sechs bisher zerstrittene Oppositionsparteien - von links-grün bis rechtskonservativ - sollen den Sieger im Wahlkampf gegen Orbán unterstützen. "Heute haben wir auch die Opposition ausgewechselt", sagte Márki-Zay. Der Opposition könne es nur gemeinsam gelingen, Orbán zu besiegen. "Der Ausweg ist weder rechts noch links, sondern nur aufwärts", fügte er hinzu. Er sei sich mit Dobrev darin einig, dass der Zusammenhalt der Opposition nicht zerstörbar sei. "Dies ist die Revolution der kleinen Leute", betonte Márki-Zay. Vor allem junge Leute hätten die Wahl für ihn entschieden. Das Durchschnittsalter seiner Wähler habe unter 40 Jahren gelegen.

Márki-Zays Stärke: Als Konservativer aus dem ungarischen Tiefland, bekennender Katholik und Vater von sieben Kindern kann er Wähler auf dem Land ansprechen, die konservativ eingestellt sind, aber von Orbáns Herrschaft möglicherweise nicht mehr so überzeugt sind. Zugleich vergrault er die urbanen, eher linken Wähler der Großstädte nicht, weil sich sein Konservativismus mit Weltoffenheit, Toleranz und Kompromissfähigkeit verbindet.

Márki-Zay studierte Wirtschaft, Elektrotechnik und Geschichte. Von 2004 bis 2009 lebte er mit seiner Familie in Kanada und den USA. In die Politik stieg er erst 2018 ein. Damals gewann er - ebenfalls überraschend - die Bürgermeisterwahl in Hódmezővásárhely. Der Ort galt bis dahin als uneinnehmbare Hochburg der Orbán-Partei Fidesz. Im Jahr darauf wiederholte er den Wahlsieg.

Die Beteiligung an der Vorwahl erreichte eine Rekordhöhe: 662 016 Wähler stimmten binnen sechs Tagen bis zum Samstagabend ab. An der ersten Runde der Vorwahl Ende September hatten sich 633 811 Bürger beteiligt. Schon dieser Wert übertraf die Erwartungen der Organisatoren. Fünf Spitzenkandidaten standen damals zur Auswahl. In der ersten Runde stimmten die Bürger zudem in 94 von 106 Wahlkreisen über die jeweiligen gemeinsamen Direktkandidaten für das Parlament ab.

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