Süddeutsche Zeitung

Europäisches Parlament:Weber will für Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn stimmen

  • Am Mittwoch stimmt das Europäische Parlament darüber ab, ob gegen Ungarn ein Rechtsstaatsverfahren eingeleitet werden soll.
  • Die EVP-Fraktion, zu der auch die Partei von Ministerpräsident Orbán gehört, ist in der Frage gespalten.
  • Fraktionschef Weber von der CSU befürwortet den Vorstoß, einen Fraktionszwang gibt es allerdings nicht.

In der Europäischen Volkspartei (EVP) herrscht kurz vor der Abstimmung im Europäischen Parlament Uneinigkeit bei der Frage, ob gegen Ungarn ein Rechtsstaatsverfahren eingeleitet werden soll.

Die Abgeordneten könnten frei abstimmen, sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber nach einer Sitzung am Dienstagabend in Straßburg. Er persönlich werde für einen entsprechenden Antrag an den Rat der EU-Staaten stimmen, kündigte der CSU-Politiker an.

Am Mittwoch stimmt das Parlament darüber ab, ob gegen Ungarn das Artikel-7-Verfahren wegen einer "systemischen Bedrohung" der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet werden soll. Vier Fünftel der Mitgliedsstaaten müssten im Anschluss dem Verfahren zustimmen, das im äußersten Fall dazu führen kann, dass Ungarn im EU-Ministerrat Stimmrechte verliert.

Eine Mehrzahl der EVP-Abgeordneten habe sich kritisch über den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán geäußert, hieß es aus Teilnehmerkreisen nach einer zweistündigen Fraktionssitzung. Orbán selbst habe kein Einlenken signalisiert.

Einige Werte der EU seien "nicht verhandelbar", begründete Weber seinen Entschluss. Dies gelte für jedes Mitglied der EVP-Familie. Er sei persönlich vor allem wegen des Vorgehens der ungarischen Regierung gegen Nichtregierungsorganisationen sowie gegen die Central European University in Budapest besorgt. Eine "lebendige und unabhängige Zivilgesellschaft" sei in einer Demokratie notwendig, sagte Weber. Das gleiche gelte für die Freiheit der Wissenschaft. Es fehle bei der ungarischen Regierung an Bereitschaft zu Kompromissen. Auf die Frage, wieso die EVP sich dennoch nicht von Orbáns rechtsnationaler Fidesz-Partei trenne, ging Weber nicht direkt ein.

Für die konservative EVP-Fraktion ist die Abstimmung heikel. Ein Austritt der Fidesz vor den Europawahlen im Mai 2019 könnte die Chancen schmälern, dass die EVP erneut stärkste Kraft im nächsten Parlament wird und Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten erheben kann. Der CSU-Politiker Manfred Weber hatte unlängst selbst erklärt, Jean-Claude Juncker auf diesem Posten nachfolgen zu wollen.

Orbán sieht "Ehre des ungarischen Volkes" verletzt

Orbán hatte am Dienstagnachmittag vor dem Plenum gesprochen und den Abgeordneten vorgeworfen, "die Ehre des ungarischen Volkes" zu verletzen. Er reagierte damit auf einen Bericht des Parlaments, der eine "systemische Bedrohung der Demokratie" in Ungarn feststellt.

Ob die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erreicht wird, dürfte entscheidend von den Stimmen der EVP-Fraktion abhängen. Die EVP war zuletzt immer wieder für ihre unklare Haltung gegenüber Orbán und dessen nationalistischem Kurs kritisiert worden - unter anderem von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.

Bereits am Montag hatte die CDU eine Kursänderung erkennen lassen. Die EU solle demnach der ungarischen Regierung mit einem Sanktionsverfahren drohen, wenn diese im Streit um Rechtsstaatsprinzipien nicht einlenke. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, für eine solche Position im Europäischen Parlament habe EVP-Fraktionschef Weber Unterstützung bekommen. "Er hat gesagt, 'Es gibt keinen Rabatt für EVP-Mitglieder'", sagte sie.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4126075
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/rtr/mane/saul
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.