Ungarn:Erfolge der Opposition in den Städten

Bei Kommunalwahlen verliert Viktor Orbáns nationalistische Fidesz einige Bürgermeister - auch in Budapest.

Von Tobias Zick

Das Ergebnis hat selbst die optimistischeren Erwartungen der Opposition übertroffen. Umfragen, je nachdem, wie regierungsnah das ausführende Institut war, hatten dem Oppositionskandidaten auf das Amt des Oberbürgermeisters von Budapest eine sehr knappe bis recht deutliche Niederlage gegen den Amtsinhaber von der Regierungspartei Fidesz vorausgesagt. Doch Gergely Karácsony, 44 Jahre alt, Soziologe und gemeinsamer Kandidat der bis dato zersplitterten Opposition, hat die Abstimmung vom Sonntag nicht nur gewonnen, sondern deutlich gewonnen: mit 50,1 Prozent gegenüber 44,1 Prozent für den Fidesz-Mann. Er erzielte die Mehrheit auch in Stadtteilen, die als besonders konservativ gelten. Nicht nur Budapest wird künftig eine linksgrüne Insel im Land von Viktor Orbáns "illiberaler Demokratie" bilden, auch in weiteren sieben Städten hat sich das jeweilige Oppositionsbündnis durchgesetzt. In Eger umfasst es auch die Rechtsaußen-Partei Jobbik.

Die Wahlkämpfer von Fidesz setzten auf eine Kombination aus Schmähungen der Herausforderer und sehr körperlichen Wohlfühl-Botschaften: In Teilen der Hauptstadt brachten sie Kartoffelsäcke mit angehefteten Porträts ihres Kandidaten sowie traditionellen Kochrezepten unters Volk. Am Ende nützte es ihnen nichts: Das von Fidesz kultivierte Image als Wahrer christlich-abendländischer Werte bekam etwa dadurch neue Risse, dass ein Video kursierte, in dem der Fidesz-Bürgermeister der Stadt Györ, Zsolt Borkai, als sehr konkreter Akteur einer Orgie auf einer Yacht vor der kroatischen Adria zu sehen ist. In Györ selbst gewann Borkai zwar noch mit eineinhalb Prozentpunkten Vorsprung - doch die Enthüllung kostete Analysten zufolge Fidesz auch jenseits von Györ Stimmen, besonders in der traditionell liberaler geprägten Hauptstadt.

Gergely Karácsony, der Budapester Wahlsieger, hatte seine Strategie selbst als "linken Populismus" bezeichnet. Er war nach Istanbul gereist, um sich vom dortigen neuen Bürgermeister inspirieren zu lassen: Im Juni hatte sich der Oppositionskandidat Ekrem İmamoğlu gegen den Kandidaten der Regierungspartei AKP durchgesetzt. Die "politische Maschinerie" in Ungarn ähnele inzwischen jener in der Türkei stark, erklärte Karácsony: "Istanbul zeigt, dass David gegen Goliath gewinnen kann."

Das klang zu dem Zeitpunkt nach Zweck-Optimismus: Selbst Karácsonys Anhänger äußerten in Umfragen mehrheitlich die Einschätzung, Fidesz würde wieder gewinnen. Nach seinem Sieg sagte Karácsony nun: "Wie haben allen eine Lektion in Demokratie erteilt." Premier Orbán freute sich derweil über die ungebrochene Stärke von Fidesz außerhalb der Großstädte: "Wir können auf Ungarns ländlichen Raum zählen, und Ungarns ländlicher Raum kann auf uns zählen."

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