Ungarn:Ungarn mobilisiert Bevölkerung zum Kampf gegen EU-Quote

Ungarn befragt das Volk über die EU-Flüchtlingsquote. Das Ergebnis dürfte wunschgemäß ausfallen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Ungarn wird Anfang Oktober ein Referendum über die europäische Quotenregelung für Flüchtlinge abhalten. Das gab Staatspräsiden János Áder am Dienstag bekannt. Dabei sollen die Ungarn über die Frage entscheiden, ob sie wollen, dass die Europäische Union "auch ohne Konsultierung des ungarischen Parlaments die Einwanderung nicht-ungarischer Staatsbürger nach Ungarn vorschreibt". Nach Meinungsumfragen sehen bis zu 90 Prozent der Bürger die "erzwungene Ansiedlung" kritisch.

Die Volksbefragung am 2. Oktober ist das vorerst letzte Mittel von Ministerpräsident Viktor Orbán im Kampf gegen die von zahlreichen EU-Ländern präferierte Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Mit einem festen Verteilungsschlüssel sollten die Lasten der Flüchtlingskrise gerechter auf alle Mitgliedsstaaten verteilt werden. Die Slowakei hat gegen die EU-Quote jedoch vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, Ungarn hat sich der Klage angeschlossen.

Bereits seit April wirbt die Regierung für ein Nein-Votum im Referendum. "Lasst uns ein Signal an Brüssel senden, damit sogar sie es verstehen", ist landesweit auf Plakaten zu lesen. Ungarn hätte nach der Regelung, die bislang ohnehin nicht umgesetzt wurde, etwa 2300 Flüchtlinge aufnehmen müssen. Damit die Abstimmung gültig ist, wäre eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent notwendig.

Ein Sieg für das Regierungslager gilt bei der Abstimmung als sicher

Parallel zur Ankündigung der Volksbefragung, bei der ein Sieg des Regierungslagers von niemandem in Zweifel gezogen wird, ist am Dienstag eine Verordnung in Kraft getreten, mit der Budapest seine Flüchtlingspolitik auch praktisch weiter verschärft. Schon bisher werden "Grenzverletzer", also Flüchtlinge, welche die Zäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien überwinden, in Schnellverfahren abgeurteilt. Eigentlich sollen sie nach einem Urteil in die Länder, aus denen sie kommen, abgeschoben werden, da diese aber kaum Flüchtlinge zurücknehmen, hat Ungarn seit Jahresbeginn knapp 5000 Menschen wegen "illegaler Grenzübertritte" verurteilt.

Nun sollen nach der neuen Regelung Migranten, die innerhalb eines Streifens von acht Kilometern jenseits der Grenze aufgegriffen werden, umgehend an die Grenze und dahinter zurückgebracht, also ohne Verfahren abgeschoben werden. Man werde den Flüchtlingen den Weg zu sogenannten Transitzonen weisen, heißt es, wo sie ihre Asylanträge stellen könnten. Diese Zonen liegen jenseits der Zäune und damit nach ungarischer Sichtweise nicht auf eigenem Territorium. Experten halten diese Maßnahme für ein Mittel, die Zahl der Migranten im Land zu vermindern, die nach Überwindung der Grenzzäune abgeurteilt und in Lagern versorgt werden müssen.

Zuletzt hatte die ungarische Regierung einige Lager an der Südgrenze aufgelöst und eines nahe der österreichischen Grenze eröffnet. Von etwa 200 000 Asylanträgen, die seit Beginn der aktuellen Flüchtlingskrise eingegangen sind, hat Ungarn nach Angaben des Sicherheitsberaters der Regierung, György Bakondi, 264 bewilligt.

Auch Orbáns Kampf gegen die europäische Flüchtlingspolitik qua Referendum ist offensichtlich vor allem innenpolitisch motiviert. Denn die Quote wird ohnehin nicht umgesetzt: Bis zum 1. Juli wurden knapp 2800 Flüchtlinge umgesiedelt, 789 aus Italien und 1994 aus Griechenland. Ungarn hat bislang keinen von diesen Flüchtling aufgenommen.

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