Ungarn:Angriff auf die freie Kunst

FILE PHOTO: Hungarian Prime Minister Viktor Orban speaks during a news conference in Budapest

Ministerpräsident Viktor Orbán will nun offenbar auch das Kulturleben Ungarns unter seine Kontrolle bringen.

(Foto: Bernadett Szabo/Reuters)

In Budapest protestiert auch der Bürgermeister gegen ein neues Gesetz, mit dem die Regierung von Viktor Orbán die Kultur kontrollieren will.

Von Peter Münch, Wien

Im Protestzug durch Budapests Straßen ist auch der neue Oberbürgermeister mitmarschiert, denn es galt, Flagge zu zeigen gegen einen neuen Angriff der rechts-nationalen Regierung: Per Gesetz wollen Ministerpräsident Viktor Orbán und die Seinen nun offenbar auch das Kulturleben unter Kontrolle bringen. "Wenn wir die Freiheit der Theater verteidigen, verteidigen wir die Freiheit der Stadt", rief der links-grüne Oberbürgermeister Gergely Karácsony den Tausenden Demonstranten zu. Das neue Gesetz geißelte er als "Diktat" der Regierung, mit dem die Freiheit der Kulturschaffenden beendet werde.

Die Aufregung gilt einem zu Wochenbeginn im Parlament eingebrachten Gesetzentwurf, der die Schaffung eines Nationalen Kulturrats vorsieht. Dessen Aufgabe wird als "strategische Lenkung" definiert. Als Ziel wird vorgegeben, "die nationale Kultur zu bewahren und die nationale Identität zu stärken". Für die Kritiker riecht das nach neuer Gängelung, und vor allem in der Theaterszene löst dieses Vorhaben Ängste aus.

Schon an diesem Mittwoch soll das Gesetz im Parlament verabschiedet werden

Schließlich soll mit diesem Gesetz auch die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass die Regierung künftig bei der Bestallung der Intendanten mitmischt. In Stadttheatern konnten das die Kommunen bislang allein entscheiden. Nun aber hat bei allen Bühnen, die staatliche Förderung erhalten, der zuständige Minister in Budapest das letzte Wort. Dieser Eingriff wird als direkte Reaktion auf die Ergebnisse der Kommunalwahl im Oktober verstanden, bei der die regierende Fidesz-Partei die Macht in der Hauptstadt und in zehn weiten Städten des Landes an die Opposition verlor.

Schon an diesem Mittwoch soll das Gesetz im Parlament verabschiedet werden. Der ersten Entwurf, der vorige Woche durchsickerte, wurde in einigen Punkten entschärft. Doch die Aufregung bleibt groß. Kulturschaffende initiierten eine Online-Petition, die inzwischen von Zehntausenden unterschrieben wurde. Darin werden die Mitglieder des Parlaments aufgefordert, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. "Die Regierung ist dabei, das Kulturleben in unserem Land systematisch zu zerstören", heißt es darin.

In der Petition wird auch darauf verwiesen, dass sich der jüngste Gesetzentwurf einreiht in zahlreiche weitere Maßnahmen, mit denen sich Orbáns Regierung den Vorwurf eingehandelt hat, gegen die europäischen Rechtsstaatsprinzipien zu verstoßen. So waren vorher schon per Gesetz kritische Menschenrechtsorganisationen unter Druck gesetzt worden. Teile der vom ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros in Budapest gegründeten Central European University (CEU) wurden mit einem neuen Hochschulgesetz de facto außer Landes gedrängt. Auch die Akademie der Wissenschaften ist mit einem im Juli verabschiedeten Gesetz einer stärkeren Kontrolle der Regierung unterworfen worden.

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