Süddeutsche Zeitung

Ungarn:Alt-Kommunist wegen Kriegsverbrechen angeklagt

Zum ersten Mal klagt die ungarische Staatsanwaltschaft einen hohen Funktionär der ehemals regierenden kommunistischen Partei an. Bela Biszku soll sich 1956 "als Anstifter eines Kriegsverbrechens" schuldig gemacht haben, bei dem 49 Menschen getötet wurden.

Die Staatsanwaltschaft in Ungarn hat erstmals einen hohen Funktionär der bis 1990 herrschenden kommunistischen Partei wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen angeklagt. Das ehemalige Politbüro-Mitglied Bela Biszku soll an der Niederschlagung von Protesten im Zusammenhang mit dem Volksaufstand von 1956 beteiligt gewesen sein, teilte die Staatsanwaltschaft in Budapest mit.

Der Aufstand gegen die stalinistische Herrschaft in Ungarn begann mit einer Studentendemonstration am 23. Oktober 1956. Am 4. November 1956 wurde die Revolution mit Hilfe von sowjetischen Panzern niedergeschlagen. Etwa 2000 Zivilisten wurden bei den Kämpfen getötet, 200.000 Menschen flohen außer Landes. Nachfolgende Demonstrationen von Arbeitern und Bürgern hatten die Kampfmilizen der ungarischen kommunistischen Partei gewaltsam aufgelöst.

Biszku habe von November 1956 dem Provisorischen Lenkungsausschuss der neu organisierten Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) angehört, heißt es in der Anklage. Das Führungsgremium der kommunistischen Partei erteilte die Einsatzbefehle für die Kampfmilizen, die auf unbewaffnete Zivilisten schossen. Biszku habe zum "innersten Zirkel der Parteiführung" gehört und sich "als Anstifter eines Kriegsverbrechens" schuldig gemacht.

Biszku bestreitet die Vorwürfe

So seien bei Demonstrationen vor dem Budapester Westbahnhof am 6. Dezember 1956 drei Menschen, bei einer Kundgebung in der nordungarischen Stadt Salgotarjan zwei Tage später 46 Menschen getötet worden. Diese Massaker würden den Tatbestand des Kriegsverbrechens erfüllen, heißt es in der Anklage.

Biszku, der von 1957 bis 1961 als Innenminister amtierte und heute 92 Jahre alt ist, bestreitet die Vorwürfe. Gegen ihn wird seit September des Vorjahres ermittelt. Derzeit steht er unter Hausarrest.

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dpa/AFP
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