Nach zähem Ringen mit der ungarischen Regierung zieht sich die Central European University (CEU) weitgehend aus Budapest zurück. Bereits im September 2019 soll ein neuer Campus in Wien eröffnet werden. CEU-Rektor Michael Ignatieff verband diese Ankündigung am Montag mit einer scharfen Kritik an der ungarischen Politik. "Wir wurden hinausgedrängt", sagt er. "Das ist beispiellos. Eine US-Institution wurde aus einem Land vertrieben, das Nato-Verbündeter ist. Eine europäische Institution wurde aus einem EU-Mitgliedsstaat verdrängt." Dies sei ein dunkler Tag für Europa und ein dunkler Tag für Ungarn.
Der Fall ist hochpolitisiert und dürfte auch innerhalb der EU neue Verstimmungen hervorrufen. Die akademisch hoch angesehene Universität, an der derzeit rund 1200 Studierende ungarische und US-amerikanische Abschlüsse in Geistes- und Wirtschaftswissenschaften erwerben können, war 1991 von George Soros gegründet worden und ist zunehmend in den Fokus der Regierungskampagne gegen den aus Ungarn stammenden US-Milliardär geraten. Die ebenfalls von Soros finanzierte Open Society Foundation, die Demokratie-Projekte vor allem in Osteuropa finanziert, hatte deshalb schon im Sommer Ungarn verlassen und sich in Berlin angesiedelt.
Der Streit um die CEU hatte im April 2017 mit einem neuen Hochschulgesetz begonnen. Eine Zulassung sollen demnach nur noch jene Universitäten erhalten, deren Träger auch im Herkunftsland einen vergleichbaren Campus vorweisen können. Weil dies deutlich gegen die sogenannte Soros-Uni gerichtet war, wurde das Gesetz sogleich als "Lex CEU" bezeichnet. Es führte zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Ungarn sowie zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Ausgang des Verfahrens könne nun nicht mehr abgewartet werden, sagte Ignatieff. Er brauche Planungssicherheit für die Zukunft der Hochschule.
In Österreich, sagt der Rektor, herrsche Rechtsstaatlichkeit, anders als in Ungarn
Ignatieff betonte, dass die CEU in den vergangenen 20 Monaten alles getan habe, um die Vorgaben des Hochschulgesetzes zu erfüllen. Er verwies auf eine Kooperation mit dem New Yorker Bard College und auf den damit geschaffenen Campus in den USA. Die ungarische Regierung habe jedoch deutlich gemacht, dass sie keine Absicht habe, das dazu mit dem Staat New York bereits vor rund einem Jahr ausgehandelte Abkommen zu unterzeichnen. Das ungarische Nachrichtenportal hvg.hu meinte dazu, "die Regierung boykottiert ihr eigenes Gesetz".
Nach einer langen Hängepartie hatte die CEU Ende Oktober eine Unterschrift bis zum 1. Dezember verlangt. Nach Ablauf der Frist wurde nun der Rückzug vermeldet. Bereits eingeschriebene Studenten sollen ihr Studium noch in Budapest beenden. Auch ungarische Diplome sollen weiter in Budapest erworben werden können. Der dortige Standort soll noch "so lange wie möglich" erhalten bleiben, heißt es. Wer sich neu einschreibt für einen internationalen Abschluss, wird jedoch vom nächsten Jahr an gleich in Wien beginnen.
Ignatieff stellte klar, dass die CEU in Wien "keine Universität im Exil'" sein wolle. Wien sei langfristig als neuer Standort gewählt worden, weil dort anders als in Ungarn Rechtsstaatlichkeit herrsche. Die österreichische Regierung hat die CEU schon vorab ausdrücklich willkommen geheißen. Zu Verhandlungen über den neuen Standort war George Soros sogar Mitte November persönlich von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Wien empfangen worden. Damit hat sich Kurz in dieser Causa nicht nur deutlich von Ungarns Premier Viktor Orbán abgegrenzt, sondern auch von seinem Koalitionspartner FPÖ. Denn die Freiheitlichen von Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatten sich der in Ungarn gepflegten Soros-Schelte längst angeschlossen und ihn zu einem der Drahtzieher der europäischen Flüchtlingskrise erklärt.
Als Standort für die neue Hochschule ist in Wien Berichten zufolge das Otto-Wagner-Spital vorgesehen, wo ein Mietvertrag mit der CEU über 99 Jahre abgeschlossen werden könnte. Beziehbar ist das Gelände allerdings erst ab dem Studienjahr 2023/24, weshalb derzeit mithilfe der Stadt nach einem Übergangsquartier gesucht wird.