Süddeutsche Zeitung

Unfreiwilliger Werbeauftritt:Obama in der Selfie-Falle

Lesezeit: 2 min

Ein Selbstporträt eines Baseball-Stars mit dem Präsidenten? Warum nicht! Von wegen: Barack Obamas jüngste Selfie-Ablichtung empört das Weiße Haus - weil offenbar wie beim berühmten Oscar-Selfie die Marketing-Abteilung eines Elektronikkonzerns dahintersteckt.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Ach Selfies, ihr habt eure Unschuld verloren! Ihr lieblichen kleinen Selbstporträts, die ihr inzwischen einer ganzen Generation Heranwachsender den Namen gebt, seid für ahnungslose Prominente inzwischen eine echte Marketingfalle. Euer neuestes Opfer: Barack Obama.

Der US-Präsident ist bekanntermaßen ein Anhänger der Handy-Schnappschüsse. Legendär ist sein Staatslenker-Selfie während der Trauerfeier für Nelson Mandela (Tumblr-Kategorie: "Selfies at funerals"):

Obama kennt die Wirkung solcher Kumpelbilder, die nicht nur Nähe signalisieren. Die beiden amerikanischen Wissenschaftsstars Bill Nye (links) und Neil deGrasse Tyson mögen höhere Beliebtheitswerte haben, den seriöseren Halsschmuck trägt immer noch der Präsident:

Nun könnte allerdings die Selfie-Begeisterung Obamas einen Dämpfer erhalten haben. Am Dienstag waren die amtierenden Baseball-Meister von den Boston Red Sox im Weißen Haus zu Gast - und der Besuch hat ein Nachspiel.

Die Sportler zerbrachen zwar kein Porzellan im Weißen Haus und trugen sogar ansehnliche Krawatten, doch der Selfie von David "Big Papi" Ortiz mit Obama war möglicherweise alles andere als ein spontaner Schnappschuss.

Ortiz' Tweet erhielt nicht nur 40 000 Retweets, sondern auch Lob und eine Twitter-Werbeanzeige von Samsung. Samsung!? Wir erinnern uns: Der angeblich so spontane Hollywoodgrößen-Selfie bei den Oscars entpuppte sich als schlichter Marketing-Gag des koreanischen Elektronikriesen, um Werbung für ein Smartphone zu machen. Damals sagte Obama übrigens, dies sei ein "ziemlich billiger Trick gewesen".

Nun ist der US-Präsident offenbar selbst reingefallen: Vor einiger Zeit hat Ortiz einen Werbevertrag mit Samsung Mobile unterschrieben, die Red Sox haben ebenfalls einen Werbedeal mit dem Unternehmen, wie die Washington Post berichtet. Ortiz dementiert zwar, dass das Foto damit etwas zu tun hätte; der Elektronikriese jedoch gibt zumindest zu, dass man über die Möglichkeit von Fotos gesprochen habe - ohne zu wissen, was genau passieren werde. Und in der Tat weiß ja jeder Selfie-Macher: Außerhalb der eigenen vier Wände kann alles passieren.

Das Weiße Haus ist offenbar wenig erfreut, zumal intensive Social-Media-Nutzer wie Ortiz vor solchen Terminen eine Einführung in die Etikette erhalten. Man sei grundsätzlich gegen die Verwendung von Bildern des Präsidenten in Werbeanzeigen, zitiert CBS-Reporter Mark Knoller die Regierung.

Um Löschung hat das Obama-Team nicht gebeten - doch dürfte sich der Präsident künftig etwas in Schnappschuss-Zurückhaltung üben. Europäische Politiker bleiben von solchen Problemen verschont: Geschickt schaffen sie es, mit Körperhaltung und Gesichtsausdruck dafür zu sorgen, dass ihre Selfies nicht für Marketing-Zwecke entfremdet werden können.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1929202
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.