Friedenseinsatz auf Haiti:Vereinte Nationen wegen Cholera-Ausbruchs vor Gericht

Friedenseinsatz auf Haiti: Blauhelmsoldaten aus Brasilien patroullieren im Januar 2012 die Straßen der haitischen Hauptstadt Port-au-Prince

Blauhelmsoldaten aus Brasilien patroullieren im Januar 2012 die Straßen der haitischen Hauptstadt Port-au-Prince

(Foto: AFP)

Der Vorwurf gegen die Vereinten Nationen wiegt schwer: Eine fehlerhaften Kläranlage in einem ihrer Camps auf Haiti soll einen Cholera-Ausbruch verursacht haben - 650.000 Haitianer erkrankten, mehr als 8000 von ihnen starben bei der Epidemie. Nun verlangen die Angehörigen Schadenersatz.

Von Reymer Klüver

Eine amerikanische Bürgerrechtsorganisation hat die Vereinten Nationen im Namen von fünf Cholera-Opfern in Haiti vor einem New Yorker Bundesgericht auf Entschädigung verklagt. Die Organisation "Institute for Justice and Democracy for Haiti" wirft den UN "verantwortungsloses Handeln" im Zusammenhang mit einem Cholera-Ausbruch in dem karibischen Inselstaat vor. Der Epidemie sind seit Oktober 2010 mehr als 8300 Menschen zum Opfer gefallen. 650.000 sollen an der Seuche erkrankt gewesen sein.

Untersuchungen unter anderem der UN selbst hatten ergeben, dass die Cholera durch nepalesische Soldaten der UN-Friedenstruppen nach Haiti eingeschleppt wurde. Durch eine mangelhaft arbeitende Kläranlage waren die Bakterien vom Stützpunkt der Truppen in einen Fluss gelangt, der von Haitianern zum Waschen wie auch für Trinkwasser genutzt wird. Der Ausgang der Klage gilt unter Rechtsexperten als höchst ungewiss.

100.000 Dollar für jeden Toten

Das Institute for Justice and Democracy for Haiti hatte im November 2011 von den UN im Namen der Angehörigen eine Entschädigung für jeden Toten in Höhe von 100.000 Dollar und für jeden Erkrankten in Höhe von 50.000 Dollar verlangt. Ihr Direktor, Brian Concannon, warf den UN grobe Fahrlässigkeit bei der Planung ihrer Mission vor. Sie hätten sich geweigert, den Stützpunkt der Friedenstruppe mit moderner Klärtechnik auszustatten. Und sie hätten es versäumt, die Soldaten aus Nepal auf Cholera zu testen - obwohl bekannt war, dass die Cholera dort grassierte. Seiner Organisation bleibe "keine andere Wahl als zu klagen", sagte Concannon.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat in der Sache einen kompromisslosen Kurs angeordnet. Zwar hatte er im Dezember 2012 eine Initiative zur Ausrottung der Cholera in Haiti gestartet, der in den kommenden zehn Jahren 2,2 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt werden sollen. Eine individuelle Entschädigung der Opfer lehnte er allerdings ab. Anfang des Jahres ließ er seinen Sprecher erklären, dass die Vereinten Nationen durch die UN-Immunitätskonvention aus dem Jahr 1946 vor derlei Ansprüchen rechtlich geschützt seien.

Keine allzu großen Erfolgsaussichten

Indirekt hatte erst am Dienstag UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay die harte Haltung Bans kritisiert. In Genf sagte sie, dass "diejenigen, die unter der Cholera gelitten haben, eine Kompensation erhalten" sollten. Haitis Premierminister Laurent Lamothe hatte vergangene Woche bei der UN-Vollversammlung in New York von einer "moralischen Verantwortung" der Vereinten Nationen gesprochen, den Opfern zu helfen.

In der Sache dürfte die Klage nicht allzu große Erfolgsaussichten haben. Zunächst müsste sich das Gericht in New York überhaupt für zuständig erklären. Das versucht das Institute for Justice and Democracy for Haiti dadurch zu erreichen, dass es die Klage auch im Namen von Haitianern mit amerikanischer Staatsangehörigkeit eingereicht hat. In New York leben zahlreiche Amerikaner haitianischer Abstammung. Zudem könnten sich die UN tatsächlich auf die Immunitätsklausel aus ihrer Gründerzeit zurückziehen, sagt Yale-Professor Muneer Ahmad, ein Spezialist für internationale Rechtsfragen. Allerdings kenne er keinen Fall, "in dem eine UN-Organisation jenseits einer Konfliktzone so massiven Schaden verursacht und dafür keine Entschädigung geleistet" habe.

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