Süddeutsche Zeitung

Unesco nimmt Palästina auf:Viele Verlierer und ein Scheinsieger

Ein größeres Desaster lässt sich kaum anrichten: Mit der Aufnahme Palästinas in die Unesco hat die internationale Gemeinschaft die USA düpiert, Israel isoliert und eine UN-Unterorganisation zum Kampfplatz des Nahost-Konfliktes gemacht. Hinzu kommt noch: Nicht einmal für die Palästinenser selbst ist der Erfolg von Dauer.

Stefan Ulrich

Der internationalen Diplomatie ist bei der Kultur-Organisation Unesco ein Kunststück gelungen. Sie hat viele Verlierer geschaffen - und einen Gewinner, der sich auch nur als Scheinsieger erweist. Ein größeres Desaster lässt sich kaum anrichten. Chapeau.

Verlierer ist zunächst die Unesco selbst. Die Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hat - mit überwältigender Mehrheit der Länder - Palästina als Mitgliedstaat aufgenommen, obwohl es dieses Palästina als Staat noch gar nicht gibt. Sie hat so dem Sicherheitsrat in New York vorgegriffen und die Palästinenser ermutigt, weitere UN-Unterorganisationen zum Kampfplatz des Nahost-Konflikts zu machen. Die USA werden der Unesco nun ihre Mitgliedsbeiträge vorenthalten und sie so schwächen.

Doch auch die USA haben verloren. Sie agieren einseitig für Israel und gegen die Palästinenser. Indem sie ihre Beiträge einfrieren, zeigen sie, dass sie Mehrheitsentscheidungen in internationalen Gremien im Zweifel nicht akzeptieren. Präsident Barack Obama bringt die arabischen Staaten gegen sich auf. Zugleich muss er erleben, wie wenig Amerikas Wille derzeit bewegt. Nicht einmal Großbritannien schloss sich dem Nein der USA in der Unesco an.

Israel baut Siedlungen, Palästinenser machen Boden in der Weltpolitik gut

Die große Mehrheit für die Aufnahme Palästinas demonstriert Israel, dem dritten Verlierer, seine Isolation. Es mag noch so viele Siedlungen bauen, die Palästinenser gewinnen dafür Boden in der Weltpolitik. Bald könnten sie ihre Aufnahme in andere Gremien wie die Internationale Atomenergie-Organisation durchsetzen. Die USA werden dann nicht so einfach den Geldhahn zudrehen können, weil sie solche Organisationen brauchen, etwa im Kampf gegen Bombenpläne Irans.

Der Vierte im Bund der Verlierer? Die EU. Ihre gemeinsame Außenpolitik erweist sich als Wunschkonstrukt. Ja, Nein, Enthaltung - uneiniger hätte Europa nicht votieren können. Die Deutschen dürfen dabei für sich in Anspruch nehmen, dass ihr Nein in der Unesco ihrer besonderen Pflicht zur Rücksichtnahme auf Israel entspringt. Eine Enthaltung wäre aber vertretbar gewesen, vorausgesetzt die anderen EU-Staaten hätten dabei mitgemacht. Doch so viel Eintracht schafft Europa nicht. Mit welcher Stimme es fortan im Nahost-Konflikt sprechen will, bleibt sein Geheimnis.

Wenigstens die Palästinenser können sich über ihre Aufnahme in die Unesco freuen, wenn auch nur kurz. Bald werden sie sehen, wie wenig dieser symbolische Erfolg bringt. Gewiss, sie haben ein Mittel gefunden, Israel unter Druck zu setzen und die USA zu ärgern. Auch ein geschwächtes Amerika aber ist stark genug, die Staatwerdung Palästinas zu verhindern. Am Ende entscheidet nicht die Unesco in Paris, sondern der Sicherheitsrat in New York. Dort droht Washingtons Veto. Die Ungeduld der Palästinenser ist verständlich. Sie wollen endlich ihren Staat. Ihr Umweg über Paris aber dürfte sich als Irrweg erweisen.

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SZ vom 02.11.2011/olkl
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