Unabhängigkeitspläne:Was Sie über die Abstimmung in Katalonien wissen müssen

An diesem Sonntag sollen Millionen Katalanen abstimmen, ob sie sich von Spanien abspalten wollen. Eine Schicksalswahl wie in Schottland ist die Volksbefragung zwar nicht. Dennoch könnte sie wichtige Folgen haben.

Von Robert Gast

Worum geht es bei der Abstimmung, die am Sonntag in Katalonien stattfinden soll?

Etwa fünf Millionen Menschen sind am Sonntag in der nordöstlichen Region Spaniens aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Bei der Abstimmung handelt es sich jedoch nicht um ein Unabhängigkeits-Referendum wie es im September in Schottland stattfand. Ein solches hatte die katalanische Regionalregierung zwar eigentlich am 9. November durchführen wollen. Das spanische Verfassungsgericht hat dies aber Ende September untersagt. Die Separatistenbewegung plant daher eine nicht bindende "Meinungsumfrage". Auf einem Stimmzettel können wahlberechtigte Katalanen angeben, ob sie wollen, dass aus der Region Katalonien ein Staat wird, und ob dieser unabhängig sein sollte.

Warum hat das Verfassungsgericht das Referendum gestoppt?

Nach Auffassung der Zentralregierung in Madrid würde das Referendum gegen die spanische Verfassung verstoßen, sagte Spaniens Premierminister Mariano Rajoy. Die Bewohner einer Region dürften nicht alleine über die Unabhängigkeit entscheiden. Schließlich wären alle Spanier davon betroffen, wenn die wirtschaftsstarke Region Katalonien unabhängig würde. Die Befürworter des Referendums verweisen auf Schottland: Dort haben nur Menschen, die dort leben, über die Unabhängigkeit abgestimmt. Bisher hat das spanische Verfassungsgericht das Referendum nur gestoppt. Eine endgültige Entscheidung haben die Richter noch nicht getroffen.

Was steht auf dem Spiel?

Für die konservative Regionalregierung Kataloniens geht es darum, ihre eigene Position zu stärken. Sollte sich die Mehrheit der Katalanen am Sonntag für einen Kurs in Richtung Unabhängigkeit aussprechen, könnte das Folgen haben. Bei der kommenden Wahl des Regionalparlaments in Barcelona würden in diesem Fall Parteien und Kandidaten die staatliche Unabhängigkeit Kataloniens ganz oben in ihren Programmen aufführen, was zusätzlichen Druck auf die spanische Staatsregierung aufbauen würde.

Warum wollen die Katalanen überhaupt einen eigenen Staat?

Die Region pflegt seit langem ihre eigene Kultur und Sprache. Neben ausgeprägtem Lokalpatriotismus treiben aber auch wirtschaftliche Interessen die Separatisten an. Sie glauben, Katalonien ginge es besser, wenn es nicht mehr zu Spanien gehöre. Gruppierungen, die die Unabhängigkeit fordern, spielten lange nur eine untergeordnete Rolle in der Region im Nordosten Spaniens. Dies änderte sich erst, als das spanische Verfassungsgericht vor einigen Jahren mehrere Passagen des katalanischen Autonomiestatuts für illegal erklärte. Dies empfanden viele Katalanen als Demütigung.

Wie wird die Umfrage am Sonntag ausgehen?

Zwar forderten Hunderttausende Menschen auf Kundgebungen eine Abspaltung. Unklar ist, ob sie wirklich die Mehrheit der Katalanen repräsentieren. Nach jüngsten Umfragen treten gut 40 Prozent der Bevölkerung für die Unabhängigkeit ein. Etwa ebenso viele wollen, dass die Region weiterhin zu Spanien gehört. Allerdings verlangen weit über 70 Prozent, dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, über den künftigen Status ihrer Region abzustimmen.

Was passiert, wenn sich eine Mehrheit für die Unabhängigkeit ausspricht?

7,5 Millionen Einwohner Leben in Katalonien, 16 Prozent der Bevölkerung Spaniens. Die Region am nordöstlichen Zipfel des Landes stellt mehr als Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung bereit, sie zählt zu den wohlhabendsten Gegenden des Landes. Dennoch ist unklar, ob ein Nationalstaat Katalonien in der EU und der Eurozone verbleiben könnte. Die spanische Regierung bekräftigt dies, Unterstützer des Referendums halten diese Sorgen für übertrieben.

Wird die spanische Regierung die Umfrage am Sonntag behindern?

Kataloniens Regierungschef Artur Mas warnte davor, die Sache zu dramatisieren. Auf die Frage, ob er seine Festnahme befürchte, antwortete er demnach witzelnd: "So etwas wird nicht passieren. Das hoffe ich jedenfalls." Aktuell sieht es in der Tat so aus, als würde die spanische Regierung die Umfrage stattfinden lassen - obwohl das Verfassungsgericht vor wenigen Tagen auch die Meinungsumfrage untersagt hatte. Bedingung dafür ist laut einem Bericht der spanischen Zeitung El Pais, dass die Umfrage nicht von der katalanischen Verwaltung organisiert wird, sondern von Privatpersonen.

Mit Material von dpa

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: