Süddeutsche Zeitung

Unabhängigkeits-Referendum in Schottland:Labour-Chef Miliband flieht vor Demonstranten

Kurz vor dem Votum liegen in Schottland die Nerven blank: Befürworter der Unabhängigkeit beschimpfen in Edinburgh Labour-Chef Ed Miliband so wüst, dass er seinen Auftritt abbricht.

  • Gegner und Befürworter des Unabhängigkeits-Referendums in Schottland mobilisieren kurz vor der Abstimmung ihre Anhänger. Oppositionsführer Ed Miliband muss einen Auftritt abbrechen - zu wütend wird er beschimpft.
  • Schottlands Regierungschef Alex Salmond hat seine Landsleute in einem offenen Brief aufgefordert, ihr Schicksal mit dem Unabhängigkeits-Referendum selbst in die Hand zu nehmen.
  • Neueste Umfragen sehen für die Abstimmung am Donnerstag mit 52 Prozent einen hauchdünnen Vorsprung für die Gegner des Votums.
  • In einem offenen Brief hatten Premier David Cameron und Labour-Chef Miliband den Schotten umfangreiche Zugeständnisse gemacht, sollten sie für Großbritannien und gegen die Unabhängigkeit stimmen.

Labour-Chef Miliband muss Wahlkampfauftritt abbrechen

Kurz vor dem Referendum über Schottlands Unabhängigkeit liegen die Nerven bei Gegnern und Befürwortern blank. Ed Miliband, Chef der Labour-Partei und Oppositionsführer, musste am Abend einen Auftritt abbrechen - zu aufgebracht beschimpften ihn die "Yes campaigners", die Befürworter der Abspaltung.

Wie der Guardian berichtet, war Miliband unangekündigt bei einer Wahlkampfveranstaltung in einem Einkaufszentrum in Edinburgh aufgetaucht. Aufgebrachte Befürworter hätten diesen daraufhin als Lügner und Serienmörder beschimpft, wobei der Bericht offenlässt, worauf sich der Mob in den Vorwürfen bezog. Ed Miliband kommentierte den Vorfall mit den Worten, dies zeige "die hässliche Seite" der Kampagne der Befürworter.

Schottischer Regierungschef wendet sich in offenem Brief an Wähler

Schottlands Regierungschef Alex Salmond hat seine Landsleute in einem offenen Brief aufgefordert, ihr Schicksal mit dem Unabhängigkeits-Referendum am Donnerstag selbst in die Hand zu nehmen. "Es ist der größte, uns am meisten Macht gebende Moment, den die meisten von uns je erleben werden", schreibt Salmond. "Schottlands Zukunft - unser Land in unserer Hand." Die Schotten müssten sich gegenseitig vertrauen und mit klarem Kopf entscheiden, ob sie im März 2016 unabhängig von Großbritannien werden wollen.

Neueste Umfragen sehen Gegner ganz leicht vorn

Die Schotten stimmen am Donnerstag ab. Sollten mehr als die Hälfte mit Ja stimmen, würde das Land im Frühjahr 2016 unabhängig.

Kurz vor der Abstimmung sehen Umfragen weiter einen knappen Vorsprung für die Gegner einer Abspaltung. 52 Prozent der Schotten lehnen die Eigenständigkeit ab, 48 Prozent sind dafür, wie aus einer am späten Dienstagabend veröffentlichten Umfrage des Instituts Opinium für die Zeitung Daily Telegraph hervorging. Die Werte entsprachen einer Erhebung des Instituts ICM für die Zeitung The Scotsman. Allerdings waren die Unentschlossenen hierbei nicht mit eingerechnet. Bezieht man sie mit ein, liegen die Gegner bei 45 Prozent, die Befürworter der Abspaltung bei 41 Prozent. 14 Prozent wissen noch immer nicht, ob sie "Yes" oder "No" ankreuzen, wie es hieß.

Cameron und Miliband machen in offenem Brief Zugeständnisse

Der britische Premierminister David Cameron hatte zuletzt intensiv für den Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich geworben und in einem offenen Brief maximale Autonomie als Teil der britischen Union zugesagt. Wenn das Land beim Referendum die vollständige Unabhängigkeit ablehne, könne es etwa über die Gesundheitsausgaben selbst entscheiden, heißt es in dem Brief, den neben Cameron auch Oppositionsführer Ed Miliband von der Labour-Partei und Vizepremier Nick Clegg von den Liberaldemokraten unterzeichneten.

Der Brief unter der Überschrift "The Vow" (Der Schwur) war am Dienstag auf der Titelseite des schottischen Massenblatts Daily Record erschienen. Konkrete Zusagen machten die Politiker jedoch nicht. Seit Wochen mahnen Parlamentsabgeordnete aus anderen britischen Regionen wie Wales oder dem Norden von England, es dürften Schottland nicht weitere Zusagen gemacht werden, ohne dass auch die anderen Regionen mehr Mitsprache bekämen. Großbritannien verfügt bisher über keine klaren föderalen Strukturen.

Im Parlament in London herrscht derzeit die skurrile Situation, dass Abgeordnete aus Schottland zwar über Gesetze mitbestimmen dürfen, die nur England betreffen, die Schotten aber einen Teil ihrer Gesetze in Edinburgh selbst machen. Dieser Effekt würde durch die Zusage von Cameron, Miliband und Clegg weiter verschärft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2133022
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa/sks/hai/jab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.