UN-Vollversammlung:Trump will "Rocket Man" Kim das Fürchten lehren

World Leaders address the 72nd Annual United Nations General Assembly

US-Präsident Donald Trump wettert vor der UN-Vollversammlung in New York gegen Nordkorea.

(Foto: AFP)

Der US-Präsident macht seine Haltung gegenüber Nordkorea in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung überdeutlich. Was er aber von der Staatengemeinschaft will, bleibt völlig unklar.

Von Thorsten Denkler, New York

Er schaut nach rechts, nach links. Dann reckt er sein Kinn vor. Wie ein Boxer, bevor er in den Ring steigt. Donald Trump steht vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Es ist der erste Auftritt des nicht mehr ganz neuen, aber immer noch atemberaubend ungewöhnlichen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Trump weiß, was jetzt kommt. Und er wird wissen, was er damit auslöst. Dann holt er aus für eine ganze Reihe von Kinnhaken, Leberhaken und andere Arten von Wirkungstreffern.

Zuvor hat der ebenfalls neue Generalsekretär der Vereinten Nationen gesprochen, António Guterres. Vor Wutreden hat er gewarnt, davor, dass solche Reden schnell zu "tödlichen Missverständnissen" führen könnten. Trump war noch nicht da, als Guterres gesprochen hat. Aber was hätte das auch geändert?

Anfang August war das, da hat Trump dem Regime in Nordkorea gedroht, es mit "Feuer, Wut und Macht" zu überziehen, sollte es die USA ernsthaft bedrohen. Es war der damalige Höhepunkt der verbalen Eskalation. Die Welt schien so nahe an einem neuen Atomkonflikt zu sein, wie seit der Kuba-Krise nicht mehr. Staatschefs aus der ganzen Welt mahnten Trump, es nicht zu übertreiben. So wie UN-Generalsekretär Guterres an diesem Dienstag, dem Eröffnungstag der Generaldebatte.

Trump hat die Kritik nicht beeindruckt. Im Gegenteil: Er sei wahrscheinlich nicht deutlich genug gewesen, was Nordkorea angeht, vermutete er. Darüber muss er sich künftig keine Gedanken mehr machen. Deutlicher als an diesem Dienstag kann er nicht mehr werden.

Die USA, sagt Trump, stehen bereit, Nordkorea "vollständig zu zerstören". Ein Raunen geht durch die große Versammlungshalle der Vereinten Nationen. Menschen schauen sich an. Hat er das wirklich gerade gesagt? Vollständige Zerstörung? Wenn Trump nach der totalen verbalen Eskalation gesucht hat, jetzt hat er sie gefunden.

Sie passt zu den Überlegungen des US-Militärs und Trumps, Nordkorea notfalls auch mit taktischen Nuklearwaffen anzugreifen. Aber selbst das wäre noch etwas anderes als eine vollständige Zerstörung.

Wo Trump vage bleibt

Die Frage ist: Blufft Trump? Oder meint er es so? Er schränkt selbst sofort ein, dass das nicht nötig sei, wenn alle Staaten mitspielten. Oder Nordkoreas Regimeführer Kim Jong-un einlenke. Den nennt Trump in seiner Rede nur noch den "Rocket Man", den Raketenmann. Was er von Kim will, ist klar. Ein Ende des Atomprogramms - sofort. Was er aber von der Staatengemeinschaft will, das bleibt völlig unklar. US-Verteidigungsminister James Mattis beeilt sich, seine Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts mit diplomatischen Mitteln zu bekunden.

Die Wirtschaftssanktionen gegen das Land sind so straff angezogen, dass die Bevölkerung jetzt schon kaum mehr Luft zum Atmen hat. China und Russland haben die Sanktionen mitgetragen. Aber vor allem China hat kein Interesse daran, seinen kleinen Nachbarn politisch implodieren zu lassen. Staatspräsident Xi Jinping will Stabilität in der Region. Und keinen Konflikt, der nicht mehr zu beherrschen ist.

Trump schimpft auf das "mörderische Regime" in Iran

Kim Jong-un hat ein Ziel zumindest erreicht. Mit Trumps Auftritt werden auch die letzten aufhören, das Land zu belächeln. Kim spielt jetzt auf Augenhöhe mit der mächtigsten Nation der Erde. Er müsste Trump eigentlich eine Dankespostkarte schicken.

Trump hat noch mehr im Gepäck. Es war klar, dass er das Atomabkommen mit Iran für falsch hält. Vor allem deshalb, weil es der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu für falsch hält. Das Abkommen, noch unter anderen von Trumps-Vorgänger Barack Obama ausgehandelt, hat Israel und die USA so weit voneinander entfernt wie lange nichts mehr.

Netanjahu hatte keinen guten Draht zu Obama. Aber er weiß, wie er mit Trump umgehen muss. Er lobt ihn als großartigen Staatsmann. "Ich möchte sagen, dass unter Ihrer Führung die Allianz zwischen Amerika und Israel niemals stärker und niemals tiefer war", sagte Netanjahu nach einem Treffen mit Trump am Montag. Trump hört so etwas sehr gerne.

Für Trump ist Iran jetzt nur noch ein "herabgewirtschafteter Schurkenstaat", ein "mörderisches Regime". Auch das sagt er in seiner Rede vor den Vereinten Nationen. Das Einzige, was Iran noch exportiere, sei Gewalt.

Stellt sich die Frage, was das bedeutet: Will Trump tatsächlich das Atomabkommen mit Iran aufkündigen? Auf welcher Grundlage? Alle anderen an dem Abkommen beteiligten Staaten bescheinigen dem Land inzwischen, sich an die Auflagen zu halten. Wenn Trump das Abkommen aber nicht aufkündigen will, dann laufen auch diese Drohungen ins Leere.

Irans Außenminister Mohamed Dschawad Sarif twitterte am Abend: "Solche Hassreden gehören ins Mittelalter und nicht ins 21. Jahrhundert." Es sei für Teheran unwürdig, auf die Rede Trumps auch nur einzugehen.

Einige UN-Mitglieder haben andere Anliegen

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt als Reaktion auf die überdeutlichen Worte Trumps, dass es für sie und die ganze Bundesregierung "nur eine diplomatische, friedliche Lösung" des Nordkorea-Konflikts gebe. "Alles andere führt ins Unglück, davon bin ich zutiefst überzeugt", sagt die CDU-Vorsitzende - allerdings nicht direkt zu Trump, sondern mitten im Bundestagswahlkampf, zu Wählern in Schwerin.

Bei den Vereinten Nationen in New York lassen sich derweil nicht alle von Trumps Muskelspielen beeindrucken. Montagnachmittag, Konferenzhalle 2. Die Europäische Union, Argentinien und die Mongolei stellen eine neue Initiative vor: "Torture-Free Trade", Handel ohne Folter. Dutzende Staaten haben sich ihr angeschlossen. Ihr Ziel ist, den Handel mit Produkten zu unterbinden oder massiv zu erschweren, die entweder für Folter eingesetzt werden. Oder um die Todesstrafe zu vollziehen.

Wie wirksam das sein kann, zeigt, dass in den USA viele Todeskandidaten in den Haftanstalten nicht hingerichtet werden können, weil den Gefängnissen die Giftspritzen ausgehen. Viele Substanzen dafür werden in der Europäischen Union hergestellt. Europäische Pharmahersteller aber wollen nichts damit zu tun haben, dass ihre Produkte eingesetzt werden, damit ein Staat seine Bürger umbringen kann. Nicht dabei sind - es verwundert nicht - China und die USA. Aber Trump hat eben gerade ganz andere Probleme.

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