UN-Vollversammlung:Netanjahu schweigt

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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schweigt bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen.

(Foto: AFP)
  • Israels Ministerpräsident Netanjahu schweigt vor der UN-Vollversammlung aus Protest gegen das Atomabkommen mit dem Iran.
  • Den Palästinensern schlug Netanjahu neue Friedensgespräche vor.
  • Wenig später wurden im Westjordanland zwei israelische Siedler getötet und deren Kinder verletzt.

Netanjahu: Abkommen mit Iran macht Krieg wahrscheinlicher

Mit Stille hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor den Vereinten Nationen gegen das Atomabkommen mit Iran protestiert. Netanjahu warf der internationalen Gemeinschaft in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York vor, die Drohungen Irans gegen sein Land wortlos hinzunehmen. "Vollkommene Stille. Ohrenbetäubende Stille", sagt Netanjahu, um dann für etwa 45 Sekunden zu schweigen. Mit dem Satz "Ich weigere mich, still zu sein" führte er anschließend seine Rede fort.

"Es macht nicht Frieden wahrscheinlicher, sondern Krieg, wenn man das aggressive Iran mit Dollar und Waffen versorgt", sagte Netanjahu. "Mehr Geld durch den Kompromiss bedeutet mehr Repression in Iran und mehr Aggression aus Iran." Teheran habe den Westen ausgetrickst: "Ihr glaubt, ihr könnt den wahnsinnigen Tiger in ein Kätzchen verwandeln?" Wer so optimistisch sei, solle seine Begeisterung an der Garderobe abgeben. Sein Land werde alles tun, um sich zu verteidigen, sagte Netanjahu weiter. "Israel wird keiner Kraft auf Erden erlauben, seine Zukunft zu gefährden."

Heftige Kritik an den Vereinten Nationen

Netanjahu griff in seiner Rede nicht nur den erklärten Feind Iran an, sondern auch die Vereinten Nationen an. "Die UN sind extrem feindlich gegenüber Israel, der einzigen Demokratie im Nahen Osten", sagte er. "Wir erleben hier ein exzessives Niedermachen Israels." In den vier Jahren des Mordens in Syrien habe die UN-Vollversammlung nur einmal die Gewalt in Syrien verurteilt, aber 20 Mal Israel.

In seiner Rede stellte Netanjahu einen Bezug zwischen dem Holocaust und der aktuellen Politik Irans her. "70 Jahre nach dem Mord an sechs Millionen Juden versprechen die Führer Irans, dass sie wieder sechs Millionen Juden töten werden, dass sie mein Land zerstören und mein Volk töten werden", sagte er. "Und diese Institution macht was? Absolut nichts, gar nichts! Vielleicht können Sie jetzt verstehen, warum wir dieses Abkommen nicht feiern wollen."

Iran hatte sich Mitte Juli mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland darauf geeinigt, sein umstrittenes Atomprogramm unter internationale Kontrolle zu stellen. Im Gegenzug sollen die Sanktionen gegen Iran aufgehoben werden.

"Präsident Abbas, ich weiß, es ist nicht einfach"

Im Konflikt mit den Palästinensern hingegen zeigte Netanjahu sich versöhnlich. Er sei bereit, "umgehend direkte Friedensverhandlungen ohne jede Vorbedingung" aufzunehmen, sagte er. Mit diesem Vorschlag wandte er sich auch direkt an Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: "Präsident Abbas, ich weiß, es ist nicht einfach. Ich weiß, dass es schwer ist. Aber wir schulden es unseren Völkern, es zu versuchen."

Abbas hatte am Mittwoch in der UN-Vollversammlung das historische Friedensabkommen von Oslo aufgekündigt und Israel vorgeworfen, dieses ständig zu verletzen. Die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern liegen auf Eis, seit der letzte Vermittlungsversuch von US-Außenminister John Kerry im April 2014 scheiterte.

Anschlag auf Israelis im Westjordanland

Nur wenige Stunden nach Netanjahus Rede wurden im Westjordanland bei einem mutmaßlich palästinensischen Anschlag zwei Israelis getötet. Das israelische Militär teilte mit, nahe der Siedlung Itamar im Norden des Westjordanlands habe ein Angreifer ein israelisches Fahrzeug beschossen. Dabei wurde nach Medienberichten ein Paar getötet und seine vier Kunder verletzt.

Das Militär habe Ermittlungen eingeleitet, um die Verantwortlichen des "abscheulichen Angriffs" zu finden, zitiert die Agentur AFP einen Armeesprecher. Die zwischen vier Monate und neun Jahre alten Kinder seien leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Das israelische Fernsehen habe gezeigt, wie junge Siedler am Angriffsort Steine auf vorbeifahrende palästinensische Autos geworfen hätten. Die radikalislamische Hamas, die den Gazastreifen beherrscht, habe die Attacke auf die Siedlerfamilie als "Antwort auf die Verbrechen der Zionisten" begrüßt.

Wegen des Streits um die Nutzung des Tempelbergs in Jerusalem haben die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern zuletzt wieder zugenommen.

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