Süddeutsche Zeitung

UN:USA und Israel verlassen Unesco

Beide Länder begründen ihre Entscheidung mit anhaltenden anti-israelischen Tendenzen in der Kulturorganisation der Vereinten Nationen.

Von Jörg Häntzschel

Donald Trump wird nicht müde zu betonen, wie wenig er von multinationalen Abkommen und Organisationen hält. Spätestens seit seine Regierung angekündigt hat, das Pariser Klimaschutzabkommen verlassen zu wollen, weiß man, dass er mit den Ankündigungen durchaus Ernst macht. Das stellte er am Donnerstag erneut unter Beweis, als das US-Außenministerium bekannt gab, die USA würden zum 31. Dezember 2018 aus der Unesco austreten, der für kulturelle Fragen zuständigen Organisation der Vereinten Nationen.

In einer Erklärung begründete das Außenministerium die Entscheidung mit der "Besorgnis der USA hinsichtlich wachsender Schulden der Unesco, der Notwendigkeit grundlegender Reformen ... und anhaltender anti-israelischer Tendenzen". Die USA, so weiter, würden sich aber "als beobachtender Nicht-Mitgliedsstaat bei der Unesco weiterhin engagieren, um die Ansichten, Perspektiven und die Expertise der USA einzubringen." Unesco-Generaldirektorin Irina Bokowa drückte ihr tiefes Bedauern über die Entscheidung aus. US-Außenminister Rex Tillerson habe sie persönlich über den Schritt informiert.

Israels Regierung zog am Abend nach: Auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte den Rückzug seines Landes aus der UN-Kulturbehörde an. Der Beschluss Washingtons sei mutig und moralisch, "weil die Unesco ein absurdes Theater geworden ist und weil sie, anstatt Geschichte zu bewahren, diese verzerrt", hieß es in einer Erklärung seines Büros.

Schon seit 2011 haben die Vereinigten Staaten ihre Beitragszahlungen an die Unesco eingestellt, nachdem die Mitgliedsstaaten dafür gestimmt hatten, die Palästinenserbehörde als volles Mitglied aufzunehmen. Derzeit sind die USA mit etwa 550 Millionen Dollar im Zahlungsrückstand. Obwohl sie nicht mehr stimmberechtigt sind, unterhielten sie bisher weiterhin ein Büro am Unesco-Sitz in Paris.

Anlass für den Schritt war der Streit um die Mitgliedschaft der palästinensischen Autonomiebehörde. Die USA und Israel sind schon seit Längerem verärgert über Unesco-Resolutionen, die jüdische Verbindungen zu heiligen Stätten verleugneten. Wiederholt hatten Vertreter der Trump-Regierung, darunter auch die UN-Botschafterin Nikki Haley, Unesco-Resolutionen als anti-israelisch kritisiert.

Der Auftrag der Unesco (kurz für Organisation des Nations Unies pour l'education, la science et la culture) ist es, Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit in der Welt durch internationale Initiativen in Bildung, Kultur und Wissenschaft zu fördern. Sie hat 193 Mitgliedstaaten. Zu den bekanntesten Unesco-Aktivitäten gehören die Programme zum Schutz von Weltkultur- und Weltnaturerbestätten. Die Austritte stürzen die Kulturorganisation weiter in die Krise: Wegen der ausbleibenden Zahlungen der USA und Israels musste die Organisation ihr Budget zuletzt um mehr als ein Fünftel kürzen. Streit gibt es auch um die neue Führungsspitze: Vor einer vierten Wahlrunde lag der Kandidat Katars, Hamad bin Abdulasis al-Kawari, gleichauf mit der französischen Anwärterin Audrey Azoulay. Dem 69-jährigen al-Kawari wird Antisemitismus vorgeworfen.

In den 1980er-Jahren waren die USA schon einmal aus der Unesco ausgetreten. Damals warfen sie der Organisation schlechte Verwaltung und anti-amerikanische Tendenzen vor. 2002 traten die USA wieder ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3705964
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.