UN-Umweltreport:Kyoto-Protokoll in Gefahr

In den reichen Industrieländern ist der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen wieder kräftig im Steigen. Auch die EU hat nach einem Bericht der Vereinten Nationen kaum Chancen, ihre eigenen Verpflichtungen zu erfüllen. Umweltschützer sprechen von einem Desaster.

In diesem Jahrzehnt (2000-2010) muss mit einem Anstieg um im Schnitt 17 Prozent gerechnet werden, wie aus einem neuen UN-Report hervorgeht. Damit gerät das Kyoto-Protokoll in Gefahr, nur Papierwerk zu bleiben.

Auch die EU bewegt sich von Kyoto weg und hat nach der Datenlage insgesamt wohl kaum Chancen, ihre eigenen Verpflichtungen zur Verminderung von Treibhausgasen zu erfüllen.

Nach dem Kyoto-Protokoll müssen die Industrieländer ihre Treibhausgase bis 2012 (im Vergleich zu 1990) um im Schnitt 5,2 Prozent vermindern. Doch die Vereinbarungen von 1997 hatten, wie jetzt deutlich wird, wohl eine große Schwäche: Sie resultierten aus politischen Taktierverhandlungen und nicht an wissenschaftlichen Daten.

Die Vereinten Nationen legten die aufrüttelnden Daten zum Auftakt einer zehntägigen Arbeitssitzung der Weltklimakonferenz am Mittwoch in Bonn vor. Die Chefin des Klimasekretariats, Joke Waller-Hunter, sprach diplomatisch von einer "frühzeitigen Warnung". Die Dinge liefen "nicht in die richtige Richtung". Dabei sind die Fakten für engagierte Klimaschützer eher niederschmetternd.

"Das ist ein Desaster", sagte der Germanwatch-Experte Christoph Bals. "Die Kluft zwischen Worten und Taten wächst." Auch der Direktor der Abteilung Klimapolitik am renommierten Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Hermann E. Ott, hält die Zahlen für "beunruhigend" - auch für die EU. Umso wichtiger sei es, dass die Europäer weitere Maßnahmen ergriffen und vor allem die Richtlinie über den Emissionshandel für Unternehmen endlich verabschiedet werde.

Drückende Erkenntnisse

Dabei sind die Erkenntnisse zur globalen Erdwärmung vor allem durch den Menschen und dessen Verbrauch fossiler Energieträger wie Öl, Gas und Kohle längst erdrückend. Steigende Temperaturen, zunehmende Wetterextreme mit Dürren und Flutkatastrophen, schmelzende Gletscher und ausgebleichte Korallenriffe: An Besorgnis erregenden Zeichen für einen Klimawandel fehlt es nicht.

Doch das energische Umsteuern fällt schwer, weil wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.

Nirgendwo gilt das mehr als in den USA. Der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen (etwa ein Drittel entfällt auf das Konto der Amerikaner) geht unter Präsident George Bush seinen eignen Weg und hat sich vom Kyoto-Protokoll verabschiedet. Dies hat dem gesamten Kyoto-Prozess einen schweren Schlag versetzt.

Hinzu kommt auch die zögerliche Haltung Russlands, deren starkes Gewicht als Emittent zählt. Noch immer ist das schon Ende 1997 beschlossene Kyoto- Protokoll daher nicht in Kraft. Präsident Wladimir Putin sagt einmal zu, Russland werde ratifizieren, das andere Mal hält er sich bedeckt.

"Wir schauen alle auf die Russen", beschreibt Waller-Hunter den Schwebezustand. Verschiedene Ministerien hätten unterschiedliche Positionen, und es werde geprüft, was die Kyoto-Vereinbarungen für die eigene Wirtschaft oder die Energie-Exporte bedeuteten.

Ott verweist darauf, dass die neuen Daten paradoxerweise "auch etwas Gutes" haben könnten. Denn Russland werde damit signalisiert, dass es vom Kyoto-Protokoll profitieren könnte. "Wenn die EU über ihrem Ziel liegt, wird sie Emissions-Zertifikate von Russland zukaufen müssen."

Deutschland gehört nicht zu den erwarteten Klimasündern

Deutschland, das in der EU der mit Abstand größte "Verschmutzer" ist, gehört nach den UN-Daten nicht zu den erwarteten Klimasündern. Bis 2000 (im Vergleich zu 1990) verzeichnete Deutschland bereits einen Rückgang der Emissionen um 19 Prozent. Bis 2010 sollen es 33,6 Prozent werden. Damit läge Deutschland deutlich über seinem Ziel von 21 Prozent Reduktion. Kritiker betonen allerdings, dass Deutschland vor allem von einer großzügigen Ausgangsanrechnung der alten DDR- Industriestrukturen profitiert.

Insgesamt wird die EU laut UN-Report bis 2010 (im Vergleich zu 1990) nur ein leichtes Minus von 0,6 Prozent schaffen. Vorgesehen sind laut Kyoto-Protokoll bis 2012 aber 8 Prozent. Weit verheerender sieht die Lage in den USA und Japan aus. Beide verzeichneten in der Dekade 1990-2000 ein Plus von 14 Prozent (USA) und 11 Prozent (Japan) und dieser Trend hält an.

Ein neuer Anstoß für mehr Klimaschutz könnte aus der Wirtschaft selbst kommen. Selbst Ölmultis wie Shell und BP sehen den Handlungsbedarf.

Inzwischen dringen auch Finanzgesellschaften, Banken und Versicherungen darauf, den Klimawandel als Risikofaktor zu bewerten. "Es wird mitentscheidend sein, ob der Finanzmarkt bei seinen Investitionsentscheidungen zunehmend Klima-Aspekte berücksichtigen wird", sagte Bals. Unternehmen ohne Klimastrategie könnten dann zu einem Finanzrisiko werden.

(sueddeutsche.de/dpa/Edgar Bauer)

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