Süddeutsche Zeitung

UN-Statistik:51 Millionen Menschen auf der Flucht - jeder zweite Flüchtling ist ein Kind

Es sind dramatische Zahlen, die das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in seiner Jahresstatistik nennt: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Flüchtlinge weltweit auf 51 Millionen gestiegen, 50 Prozent von ihnen sind minderjährig. Zwar wurden 2013 in Deutschland die meisten Asylanträge gestellt, doch bei der Aufnahme von Menschen in Not hält sich der Westen stark zurück.

Die Zahl der Flüchtlinge weltweit ist stark gestiegen. Wie das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR anlässlich des Weltflüchtlingstages mitteilt, gibt es auf der Welt mehr als 50 Millionen Flüchtlinge, Asylsuchende und Binnenvertriebene.

Konkret heißt es in dem statistischen UNHCR-Jahresbericht Global Trends, Ende des Jahres 2013 konnten mehr als 51,2 Millionen Menschen nicht in ihrer Heimat leben - sechs Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge addiert sich aus drei Gruppen:

  • 16,7 Millionen Menschen, die ihr Heimatland verlassen haben
  • 33,3 Millionen Binnenflüchtlinge
  • 1,2 Millionen Asylsuchende

Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind, der Anteil der Minderjährigen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Die Angaben basieren auf Daten, die von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und dem UNHCR gesammelt wurden.

"Alles hinter sich zu lassen, was einem lieb und teuer war, bedeutet, sich in einer unsicheren Zukunft wiederzufinden, in einer fremden Umgebung", sagt UN-Flüchtlingskommissar António Guterres angesichts von 16,7 Millionen Menschen, die ihr Heimatland verlassen haben. "Stellen Sie sich vor, welchen Mut es erfordert, mit der Aussicht fertig zu werden, Monate, Jahre, womöglich ein ganzes Leben im Exil verbringen zu müssen."

Doch auch viele der Binnenflüchtlinge lebten in Konfliktzonen, wo die Versorgung mit Hilfsgütern schwierig sei und wo es keine international gültigen Schutznormen gebe. Innerhalb ihres Heimatlandes waren laut UNHCR im vergangenen Jahr 33,3 Millionen auf der Flucht - ebenfalls eine Rekordzahl.

Krieg, Gewalt und Verfolgung sind die Hauptgründe

Krieg, Gewalt und Verfolgung sind die Hauptgründe. Der deutliche Zuwachs der Flüchtlingszahlen ist daher auch ein schlechtes Zeichen für die Sicherheitslage weltweit. "Hier sehen wir die immensen Kosten nicht endender Kriege, der Unfähigkeit Konflikte zu lösen oder zu verhindern", sagt Flüchtlingskommissar Guterres.

Eine besondere Rolle beim drastischen Anstieg der Flüchtlingszahlen spielt der Bürgerkrieg in Syrien, der 2013 bereits länger als zwei Jahre andauerte. 2,47 Millionen Menschen hätten das Land verlassen, 6,5 Millionen seien innerhalb des Landes auf der Flucht. In wenigen Jahren ist aus einem Land, in dem Tausende Zuflucht suchten, ein Land geworden, aus dem Tausende fliehen.

Auch in Afrika haben Flucht und Vertreibung im vergangenen Jahr erheblich zugenommen. Angesichts der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik haben fast 900 000 Menschen ihr Zuhause verlassen. Neue Kämpfe im Kongo trieben eine Million in die Flucht. 75 800 haben den Sudan verlassen.

Betrachtet man die Gesamtzahlen des UN-Reports dann stammen die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan - 2,56 Millionen Afghanen leben 2013 im Ausland. Damit führt das Land das 33. Jahr in Folge die unrühmliche Flüchtlingsstatistik an. Dieses Jahr könnte es jedoch angesichts des unvermindert tobenden Bürgerkriegs in Syrien abgelöst werden.

In Pakistan, im Iran und im Libanon leben die meisten Flüchtlinge

Ohne politische Lösungen werde "das alarmierende Ausmaß an Konflikten und das damit verbundene Leid von Millionen von Menschen fortdauern, das sich hinter der Statistik verbirgt". Guterres forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, ihre Differenzen auszuräumen und Lösungen zu finden für die gegenwärtigen Konflikte. "Neue Finanziers müssen an die Seite der traditionellen Geberstaaten treten", forderte der Flüchtlingskommissar mit Blick auf etwa 50 Millionen Flüchtlingen. Das entspricht der Gesamtbevölkerung mittelgroßer Länder wie Spanien, Südafrika oder Südkorea.

Der Blick auf die Länder, die Flüchtlinge beherbergen, ist wenig rühmlich für die Weltgemeinschaft. So sind es nicht die wohlhabenden Länder, in denen Menschen vor Krieg und Gewalt Zuflucht gewährt wird - ganz im Gegenteil. Mit 1,6 Millionen aufgenommenen Flüchtlingen führt Pakistan die Liste an, gefolgt von Iran und Libanon, mit jeweils etwa 857 000 beherbergten Menschen. Jordanien, die Türkei, Kenia, Tschad und Äthiopien setzen die Liste fort.

Erstmals wurden in Deutschland die meisten Asylanträge gestellt

Die meisten der Flüchtlinge in Pakistan stammen aus Afghanistan. Ein großer Teil der Syrer, die ihr Land verlassen, geht in den Libanon - 737 000 Neuankömmlinge wurden hier allein im vergangenen Jahr registriert. Ähnlich ist die Lage in Jordanien. Beide Länder seien damit innerhalb eines Jahres an den Rand der sozio-ökonomischen Belastbarkeit gelangt, so der Bericht. Weitere 478 000 Syrer hat das Nachbarland Türkei aufgenommen. Eine Entspannung ist nicht in Sicht: Zusätzlich zum Bürgerkrieg in Syrien ist der Konflikt im Irak neu aufgeflammt. Hier sind aktuellen Zahlen zufolge Hunderttausende auf der Flucht.

Nur ein geringer Anteil der weltweiten Flüchtlinge stellt einen offiziellen Antrag auf Asyl. Laut UNHCR waren es im vergangenen Jahr weltweit 1,1 Millionen. In Deutschland wurden erstmals seit 1999 weltweit die meisten Asylanträge gezählt: 109 600 Anträge im Vergleich zu 64 500 im Vorjahr. Mit diesem deutlichen Anstieg ist die Bundesrepublik an den USA vorbeigezogen. Danach kommen Südafrika, Frankreich, Schweden und Malaysia.

Wie das UNHCR weiter mitteilte, kehrten im vergangenen Jahr 414 600 Flüchtlinge in ihr Heimatland zurück.

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