Vereinte Nationen:Einem Ländchen gelingt ein Reförmchen

Der ukrainische Präsident Selenskij spricht vor dem UN-Sicherheitsrat

Der ukrainische Präsident Selenskij hatte Anfang April eine Reform des UN-Sicherheitsrates gefordert. Nun gibt es immerhin neue Regeln beim Vetorecht.

(Foto: John Minchillo/dpa)

Das Fürstentum Liechtenstein macht einen Vorschlag, um das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat neu zu regeln. Die USA finden das gut.

Von Christian Zaschke, New York

Während sich UN-Generalsekretär António Guterres nach Moskau und Kiew aufgemacht hat, um einen Vermittlungsversuch im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unternehmen, wurde in New York am Hauptsitz der Vereinten Nationen am Dienstag eine Resolution verabschiedet, die den UN-Sicherheitsrat ein bisschen reformiert. Konkret geht es darum, das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des Rats neu zu regeln. Allerdings auch nicht wirklich neu zu regeln, es ist, wie nicht selten bei den UN, eine ziemliche Haarspalterei.

Das bisher eher selten in der internationalen Politik als große Kraft auftretende Fürstentum Liechtenstein hatte eine Resolution eingebracht, in der gefordert wird, dass die Vetomächte (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) ihr jeweiliges Veto künftig öffentlich erläutern müssten. Im Sicherheitsrat sitzen neben diesen fünf Ländern zehn weitere Staaten, die alle zwei Jahre rotieren. Der Rat gilt als wichtigstes Gremium der UN, sein Tun ist allerdings oft folgenlos - eben wegen des Vetorechts. Als der Rat zum Beispiel kürzlich den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilen wollte, legte Russland sein Veto ein.

Der liechtensteinische UN-Botschafter Christian Wenaweser sagte, seine Initiative richte sich nicht gegen irgendjemanden, sondern solle das Verfahren für die UN insgesamt besser machen. Diese Aussage ist insoweit recht interessant, als es für die meisten Unterstützer der Resolution selbstverständlich exakt darum geht, dass sie gegen jemanden gerichtet ist, nämlich gegen Russland. So erklärt sich auch, dass zu den rund 60 Unterstützern der Resolution überraschend die USA gehören, die in solchen Fragen normalerweise äußerst zurückhaltend sind. Der ehemalige UN-Botschafter John Bolton, der eine kurze Weile auch als Nationaler Sicherheitsberater des früheren US-Präsidenten Donald Trump amtierte, kritisierte die amerikanische Unterstützung des Vorstoßes, weil man sich so letztlich selbst schade. In der Tat machen die USA recht gern von ihrem Vetorecht Gebrauch.

Zu den Unterstützern des Vorstoßes gehört auch Deutschland, das seit geraumer Zeit darauf hofft, im Zuge einer Vergrößerung des Sicherheitsrats einen permanenten Sitz zu erhalten. Gleiches gilt für Japan, das sich ebenfalls dazu entschlossen hat, die Initiative aus Liechtenstein zu unterstützen. Großbritannien und Frankreich haben sich für die - siehe erneut UN und Haarspalterei - Lösung entschieden, den Vorstoß einerseits nicht offiziell zu unterstützen, andererseits aber für ihn zu stimmen. Russland und China halten erwartungsgemäß gar nichts von der Idee, aber allzu beunruhigt dürften sie auch nicht sein, denn diese Reform ist bestenfalls ein Reförmchen, und sie wird vermutlich absolut nichts am Status quo ändern.

Die Resolution ist unverbindlich, wie so vieles

Die Kernidee der Initiative ist, dass die fünf Staaten ihr jeweiliges Veto erklären sollen und dass die Vollversammlung innerhalb von zehn Arbeitstagen zusammentritt, um über den jeweiligen Fall zu debattieren. Damit soll eine größere Öffentlichkeit hergestellt werden. Allerdings war die Öffentlichkeit auch in der Vergangenheit nicht klein, was niemanden davon abgehalten hat, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen. Befürchtet wird zudem in New York, dass manche Staaten künftig geneigt sein könnten, Texte so zu formulieren, dass sie mit Sicherheit ein Veto hervorrufen - Ziel wäre in diesem Fall, die neue und größere Öffentlichkeit dazu zu nutzen, den jeweiligen Rivalen vorzuführen.

Wie das bei den Vereinten Nationen öfter so ist, hatte Liechtenstein einen Text eingebracht, der "non-binding", also unverbindlich ist. Das heißt, obwohl die Resolution nun von der Vollversammlung verabschiedet wurde, steht es den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats weiterhin frei, eine Erklärung ihres Vetos vor der Vollversammlung schlicht abzulehnen.

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