Süddeutsche Zeitung

UN-Millenniumsgipfel:Merkel stellt Forderungen an Entwicklungsländer

Kanzlerin Angela Merkel mahnt beim UN-Gipfel mehr Eigenverantwortung der Entwicklungsländer an. Ihr selbst bleibt noch Zeit, für einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat zu werben.

Daniel Brössler, New York

Zehn Jahre nach Verkündung der Millenniumsziele gegen Armut in der Welt dringt Deutschland auf mehr Eigenverantwortung der Entwicklungsländer. "Gute Regierungsführung ist das A und O", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag zum Auftakt eines Gipfeltreffens der Vereinten Nationen in New York. Anders sei eine "vernünftige Entwicklung" nicht sicherzustellen. Zu dem Treffen versammelten sich Staats- und Regierungschefs aus 125 Staaten, um Bilanz in der Entwicklungspolitik zu ziehen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, seit dem UN-Millenniumsgipfel vor zehn Jahren habe es in den armen Ländern viele Fortschritte gegeben, die allerdings "immer noch brüchig" seien. Mit politischem Willen und zusätzlichen Finanzmitteln könne der Lebensalltag von Milliarden Menschen verbessert werden. "Trotz aller Hindernisse, trotz aller Skepsis sind die Millenniums-Ziele noch erreichbar", sagte er. Merkel sprach von einem "neuen Miteinander" zwischen Geber- und Empfängerländern. Berücksichtigt werden müssten die Wünsche der Entwicklungsländer, diese würden aber auch "in stärkerem Maße in die Verantwortung" gezogen.

An diesem Dienstag wollte Merkel in einer Rede vor den Vereinten Nationen für das Konzept einer "Entwicklungspartnerschaft" werben, mit der die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe erhöht werden soll. Deutschland ist drittgrößter Geber von Entwicklungshilfe der Welt. Begleitet wurde Merkel in New York von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP).

In der bereits ausgehandelten Schlusserklärung des Gipfels ist angesichts der bisherigen Bilanz seit Verkündung der Millenniumsziele von einer "gemischten Geschichte" die Rede. So habe es etwa Erfolge bei der Bekämpfung extremer Armut gegeben. Der Anteil besonders armer Menschen an der Weltbevölkerung sei von 46 Prozent 1990 auf 27 Prozent im Jahr 2005 gesunken. Neuere Zahlen fehlen. Auch beim Kampf gegen Kindersterblichkeit und Krankheiten habe es Fortschritte gegeben. Besonders gering seien die Erfolge im Kampf gegen die Müttersterblichkeit. Beim Millenniumsgipfel im Jahr 2000 hatte sich die Welt Ziele für das Jahr 2015 zur Verringerung der Ungleichheit in der Welt gesteckt.

Erneuert werden soll in New York das Bekenntnis der Industrienationen, bis zum Jahr 2015 mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungshilfe aufzuwenden. "Die 0,7 Prozent für 2015 sind ein sehr ambitioniertes Ziel", sagte Merkel angesichts wachsender Zweifel, dass die Zusage eingehalten werden kann. "Wir strengen uns an", versicherte Merkel.

Kampfkandidatur gegen Kanada und Portugal

Für dieses Jahr strebt die Bundesregierung eine Quote von 0,4 Prozent an. Es müsse vor allem darum gehen, das Geld richtig einzusetzen, sagte die Kanzlerin. Sie betonte, Deutschland habe trotz der Wirtschaftskrise und seiner Sparprogramme die Entwicklungshilfe nicht gekürzt. Seit dem Jahr 2000 sind die Entwicklungshilfe-Mittel im Etat des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit von 3,6 auf sechs Milliarden Euro gestiegen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung spare "bei den Ärmsten der Armen", kritisierte hingegen Thilo Hoppe, Sprecher der grünen Bundestagsfraktion für Welternährung. "Deutschland muss endlich seine Zusagen erfüllen und deutlich mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitstellen", sagte Hoppe, der ebenfalls zu dem New Yorker Gipfel gereist ist.

In New York warb Merkel auch für Zustimmung zur deutschen Bewerbung um einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat in den Jahren 2011 und 2012. Die Vereinten Nationen seien das einzige Gremium mit der Legitimation, "globale Ziele für die Umsetzung der Menschenrechte auszusprechen", so Merkel.

Um Unterstützung für die deutsche Kandidatur wollte Merkel bei bilateralen Begegnungen in New York bitten, etwa bei dem vietnamesischen Präsidenten Nguyen Minh Triet oder dem Ministerpräsidenten von Buthan, Jigme Yoezer Thinley. Bei der Abstimmung Mitte Oktober bemüht sich Deutschland in einer Kampfkandidatur gegen Kanada und Portugal um einen von zwei Sitzen der Gruppe der Westeuropäer und anderer westlicher Staaten.

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SZ vom 21.09.2010/jab
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