Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Merkels Nebenaußenminister

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Als außenpolitischer Berater war Christoph Heusgen einer der engsten Vertrauten von Angela Merkel, als deutscher UN-Botschafter fiel er zuweilen kalkuliert aus der Rolle. Jetzt geht der Diplomat in Ruhestand.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die Abschiedsworte kamen, wie Chinas stellvertretender UN-Botschafter Geng Shuang versicherte, "aus tiefstem Herzen". Es sei, sprach der chinesische Diplomat, "ein Glück, dass wir Sie los sind". Gemeint war Christoph Heusgen, bis 30. Juni Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen. Geäußert wurde der unfreundliche Gruß zwar bereits im Dezember zum Ende der zweijährigen nicht ständigen deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat, aber Heusgen darf davon ausgehen, dass er immer noch gilt. Erst ein paar Tage ist es her, dass er den Chinesen ein letztes Mal geärgert hat. Auch auf sein Betreiben hin prangerten mehr als 40 Staaten in einer Erklärung des Menschenrechtsrates die Lage der Uiguren in China an. Seit Donnerstag nun befindet sich der 66-Jährige im Ruhestand.

Wenige Monate vor der Kanzlerschaft Angela Merkels endet damit auch die diplomatische Laufbahn einer zentralen Figur ihrer Außenpolitik. "Ich weiß, dass ich mich Angela und vielen anderen anschließe, wenn ich Christoph für seine Weisheit, seine Arbeitsmoral und sein Engagement für demokratische Werte danke", würdigte ihn per Video der frühere US-Präsident Barack Obama bei einer New Yorker Abschiedsveranstaltung. Von 2005 bis 2017 hatte Heusgen als außen- und sicherheitspolitischer Berater Merkels fungiert - und in dieser Zeit nicht zuletzt auch als Draht nach Washington.

Bevor Heusgen in den Dienst Merkels trat, war er als Aufbauhelfer einer europäischen Außenpolitik tätig gewesen. Für den ersten EU-Außenbeauftragten Javier Solana arbeitete er als Stabschef und prägte das neue Amt mit. Indem Merkel Heusgen zu sich nach Berlin holte, markierte sie einen europa-und außenpolitischen Machtanspruch, den Frank-Walter Steinmeier und Guido Westerwelle als Außenminister zu spüren bekommen sollten. Im Hintergrund war Heusgen für Kontaktpflege und Krisenmanagement nicht zuletzt im Verhältnis zu den USA zuständig. Das war 2011 so, als sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über eine Flugverbotszone über Libyen enthielt, und auch 2013, als die NSA-Abhöraffäre das Verhältnis zur Obama-Administration zu ramponieren drohte.

Als Heusgen 2017 seinen Posten in New York antrat, hatte er die 2019 anstehende deutsche Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat bereits im Blick. Im Kern ging es um zwei Postulate deutscher Außenpolitik: Bei den Vereinten Nationen sollte der deutsche Einfluss gestärkt und die Erosion des Multilateralismus gebremst werden. "Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass der Sicherheitsrat trotz bestehender Blockaden in Krisenfällen wieder besser funktioniert", kündigte Heusgen an. Das erwies sich unter den obwaltenden Umständen als, gelinde gesagt, schwierig. Zum einen standen die USA unter Donald Trump den UN oft genug feindselig gegenüber, zum anderen bildeten Russland und China ein immer routinierteres Blockadeduo.

Heusgen ist als neuer Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz im Gespräch

Heusgen reagierte darauf, indem er gelegentlich - und nicht immer zur Freude an seiner alten Wirkungsstätte im Kanzleramt - kalkuliert aus der diplomatischen Rolle fiel. Einmal forderte er die Vertreter Israels und der Palästinenser auf, ihre vorbereiteten Reden zur Seite zu legen. Stattdessen sollten sie erklären, wie sie geltende UN-Resolutionen umzusetzen gedächten. "Wie stoppen Sie den Bau der Siedlungen?", fragte Heusgen den israelischen Botschafter. "Wie stoppen Sie die Raketenangriffe auf Israel?", wollte er vom palästinensischen Vertreter wissen.

Im Streit um humanitäre Zugänge nach Syrien forderte er die Botschafter Chinas und Russlands einmal auf, in ihren Hauptstädten nachzufragen, "ob die Leute, die die Anweisung gegeben haben, 500 000 Kinder von humanitärer Hilfe abzuschneiden, noch in den Spiegel schauen können". Man brauche dessen Lektionen nicht, wurde Heusgen daraufhin belehrt, was auch die unfreundlichen Abschiedsworte aus China erklärt.

Dennoch könnte es ein Wiedersehen geben. Heusgen wird als möglicher Nachfolger von Wolfgang Ischinger an der Spitze der Münchner Sicherheitskonferenz gehandelt - eine Veranstaltung mit zuletzt wachsenden Besucherzahlen aus Peking.

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