Süddeutsche Zeitung

UN-Generalversammlung:Alle Probleme der Welt

  • Bei der UN-Generalversammlung in New York treffen sich Präsidenten, Premiers und Minister und verhandeln im Stundentakt alle wesentlichen Krisen rund um den Globus.
  • Neben dem Klimaschutz werden vor allem der Konflikt mit Iran, die Ostukraine und die Lage in Libyen auf der Tagesordnung stehen.
  • Außenminister Maas will die Gelegenheit nutzen, eine "Allianz des Multilateralismus" zu schmieden.

Von Daniel Brössler

Irgendwann in dieser Woche wird Heiko Maas wohl wieder dem Kollegen Adel al-Dschubeir über den Weg laufen. Und eigentlich, wenn die Dinge nicht so ernst wären, müssten der Außenminister aus Deutschland und der Außenminister aus Saudi-Arabien dann lachen über ihren präzise choreografierten Auftritt während der UN-Generalversammlung vor genau einem Jahr. Es habe "Missverständnisse" gegeben, hatte Maas gesagt, und dann den entscheidenden Satz: "Das bedauern wir zutiefst." Gemeint war Kritik seines Vorgängers Sigmar Gabriel an saudischem "Abenteurertum". Der Saudi quittierte das huldvoll mit einer Bemerkung über die "tiefen strategischen Beziehungen". Auf jedes Wort, ja jede Silbe kam es an.

Weltpolitisch ist das eine Ewigkeit her. Was damals so ungeheuer bedeutsam erschien, liegt nun zermalmt unter der Wucht der weiteren Entwicklungen - der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, dem Showdown um den Atomdeal mit Iran bis hin zur aktuellen Kriegsangst nach den Drohnenangriffen auf saudische Ölanlagen.

So ist das in dieser einen Woche der UN-Generaldebatte, in der sich buchstäblich alle Welt in New York trifft. Präsidenten, Premiers und Minister verhandeln da im Stundentakt alle wesentlichen Krisen rund um den Globus. Und ein Jahr später treffen sie sich wieder, um festzustellen, dass fast nichts besser und vieles schlimmer geworden ist. So wird es auch dieses Jahr wieder sein.

Alle Augen auf Macron und Trump

Es beginnt, ebenfalls schon eine kleine Tradition, mit dem bangen Warten auf die Rede von Donald Trump. 2017, in seiner ersten Rede vor der Generalversammlung, hatte Trump den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un, zu dem er erst später eine tiefe Zuneigung entwickelte, als "Raketenmann" verspottet, im Jahr darauf rief er alle Welt auf, Iran zu isolieren, das "Chaos, Tod und Zerstörung" über seine Nachbarn gebracht habe. Und diesmal? Die am East River versammelten Staats- und Regierungschefs werden nach dem suchen, woran es in Trumps Reden für gewöhnlich fehlt: nach Zwischentönen.

Die Frage, ob es doch noch eine diplomatische Lösung geben kann für die Krise am Golf, wird das beherrschende Thema dieser New Yorker Woche werden. Die Augen richten sich da nicht nur auf Trump, dessen einzige Strategie bislang die des "maximalen Drucks" auf Iran zu sein scheint, sondern auch auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der zumindest eine Menge Erwartungen geweckt hat. Zum G-7-Gipfel in Biarritz hatte er den iranischen Außenminister Mohammad Dschawad Sarif einfliegen lassen und damit einen diplomatischen Coup gelandet - mit dem der Atomdeal, der nach dem Ausstieg der USA dahinsiecht, freilich noch lange nicht gerettet ist. Nun muss sich zeigen, ob Macron die Iraner bei der Stange halten kann. Sie verlangen von den Europäern, dass sie ihnen bis Jahresende Öl im Wert von 15 Milliarden Dollar abnehmen oder eine Kreditlinie in dieser Höhe bereitstellen. Darauf dürfte Sarif wohl auch bei einem Treffen mit den im Atomabkommen verbliebenen Staaten erneut bestehen.

Maas will eine Allianz für den Multilateralismus schmieden

Ebenso offen ist, ob es bei der Suche nach Frieden für den Osten der Ukraine Fortschritte geben wird. Der Gefangenenaustausch hatte kürzlich vorsichtige Hoffnungen geweckt, wobei auch auffiel, wie sehr Macron sich um Kremlchef Wladimir Putin bemüht. Macron mag zwar formal nicht für alle Europäer sprechen, aber seine Lieblingsrolle als Anführer der Europäer macht ihm derzeit niemand streitig. Kanzlerin Angela Merkel konzentriert sich in New York auf den Klimagipfel und wird schon am Dienstag abreisen, um die Bühne Außenminister Maas zu überlassen. Für Maas bietet das die Gelegenheit, an seinem Hauptthema zu arbeiten, der Rettung des Multilateralismus.

Zusammen mit seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian sucht Maas schon länger Verbündete. Während dieser Generalversammlung soll ihre "Allianz für den Multilateralismus" nun Gestalt annehmen. Bei einer Veranstaltung im UN-Hauptquartier sollen Außenminister von allen Kontinenten Gelegenheit bekommen, Farbe für den Multilateralismus zu bekennen. Gesprochen werden soll etwa über das humanitäre Völkerrecht oder Abrüstung.

Neben Syrien und der Ukraine dürfte vor allem Libyen Thema werden

Ein zentrales Thema wird wieder der Krieg in Syrien werden. Diplomatisch zerfällt die Welt da in zwei Blöcke. Russland, China und Iran bilden die Astana-Gruppe, Deutschland wiederum gehört zur "Small Group" mit den USA, Großbritannien, Frankreich, aber auch Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien. Diese Gruppe dürfte sich nun in New York wieder treffen. UN-Generalsekretär António Guterres hat gerade erst die Hoffnung geweckt, dass es etwas gibt, worüber man diskutieren kann. Nach 20-monatigen Verhandlungen sei nun ein Abkommen über die Zusammensetzung eines syrischen Verfassungskomitees in Reichweite, verkündete er. Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen kläre mit den Parteien letzte Details und er hoffe, "dass dies sehr bald abgeschlossen wird". Die 150 Mitglieder des Komitees sollen eine neue Verfassung für Syrien erarbeiten. Über die Zusammensetzung des Komitees war erbittert gerungen worden.

Neben Syrien steht vor allem Libyen auf dem Aufgabenzettel von Maas. Klassischerweise fällt die Lage in dem Bürgerkriegsland eher ins Ressort von Franzosen und Italienern, die aber eher gegen- als miteinander zu arbeiten scheinen. In der Bundesregierung fürchtet man, dass die Lage in Libyen vollends außer Kontrolle geraten und wieder zu einem massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen führen könnte. Merkel und Maas schwebt deshalb eine Libyen-Konferenz in Berlin vor, um die Arbeit des UN-Sonderbeauftragten Ghassan Salamé zu unterstützen. "Bei der Herkulesaufgabe, den Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen voranzubringen, sind die Vereinten Nationen auf unsere politische Rückendeckung angewiesen", hatte Maas vergangenes Jahr zum Thema Libyen gesagt. Das gilt natürlich auch dieses Jahr.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2019
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