Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen macht Israel verantwortlich für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 begangen wurden. Die Kommission stellte außerdem fest, dass die Terrororganisation Hamas und weitere bewaffnete palästinensische Gruppen für in Israel begangene Kriegsverbrechen verantwortlich sind.
Das sind die Ergebnisse aus zwei Berichten, die der UN-Menschenrechtsrat am Mittwoch veröffentlichte. Ein Bericht konzentrierte sich auf die Hamas-Angriffe vom 7. Oktober, der andere auf die militärische Reaktion Israels. Die UN-Untersuchungskommission war vom Menschenrechtsrat bereits im Mai 2021 beauftragt worden, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Israel und in den Palästinensergebieten zu untersuchen. Die dreiköpfige Kommission unter Leitung der ehemaligen UN-Menschenrechtsbeauftragten Navi Pillay hat nun die erste eingehende Untersuchung der UN zu den Ereignissen am und nach dem 7. Oktober 2023 vorgelegt.
Der Bericht stützt sich nach eigenen Angaben auf Interviews mit Opfern und Zeugen in der Türkei und in Ägypten, auf Tausende Quellen, forensische Analysen, Satellitenbilder und gerichtsmedizinische Berichte. Israel habe die Ermittlungen der Kommission behindert „und ihr den Zugang nach Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete verwehrt“, ließ das Gremium verlautbaren.
Die Hamas habe Frauen und Frauenkörper als „Siegertrophäen“ benutzt
Die brutalen Angriffe der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober werden in dem Bericht als „beispiellos in der modernen Geschichte Israels“ bezeichnet. Sie würden „nicht nur für die israelischen Juden, sondern für das gesamte jüdische Volk weltweit ein schmerzhaftes Trauma vergangener Verfolgung hervorrufen.“
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Die Menschen fordern Neuwahlen und die Freilassung der Geiseln, die im Gazastreifen von der Hamas festgehalten werden. Die USA verhängen weitere Sanktionen gegen Unterstützer der Huthi-Miliz.
Der Bericht stellt fest, dass der militärische Flügel der Hamas und sechs weitere bewaffnete palästinensische Gruppen für folgende Kriegsverbrechen verantwortlich sind: vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten, Mord und vorsätzliche Tötung, Folter, unmenschliche und grausame Behandlung, Zerstörung und Beschlagnahme von Eigentum des Gegners, Verletzung der persönlichen Würde und Geiselnahme, auch von Kindern.
Viele Entführungen seien mit erheblicher körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt sowie erniedrigender und demütigender Behandlung einhergegangen, „in einigen Fällen wurden die Entführten sogar vorgeführt“, hebt der Bericht hervor. Beispielsweise seien Frauen und Frauenkörper von den männlichen Tätern als „Siegertrophäen“ benutzt worden. Des Weiteren gebe es „Muster, die auf sexuelle Gewalt hindeuten“, an verschiedenen Orten, jeweils gegen israelische Frauen. Konkrete Berichte über Vergewaltigungen habe man nicht unabhängig überprüfen können.
Israels Strategie habe auf „den größtmöglichen Schaden“ abgezielt
Israel sei laut Bericht für folgende Kriegsverbrechen verantwortlich: Aushungern als Mittel der Kriegsführung, Mord oder vorsätzliche Tötung, vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte, gewaltsame Vertreibung, sexuelle Gewalt, Folter und unmenschliche oder grausame Behandlung, willkürliche Inhaftierung und Verletzung der persönlichen Würde.
Demnach sei die hohe Zahl der zivilen Opfer im Gazastreifen und die weitreichende Zerstörung von zivilen Objekten und Infrastrukturen „das unvermeidliche Ergebnis einer Strategie, die darauf abzielte, den größtmöglichen Schaden anzurichten“. Dabei würden die Grundsätze der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit außer Acht gelassen. Außerdem stelle der vorsätzliche Einsatz von schweren Waffen mit großer Zerstörungskraft in dicht besiedelten Gebieten „einen vorsätzlichen und direkten Angriff auf die Zivilbevölkerung dar“.
Israel wies die Vorwürfe zurück, von der Hamas blieb eine Stellungnahme zunächst aus. Die Leiterin der Kommission, Navi Pillay, erklärte, es sei „zwingend erforderlich, dass alle, die Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden“. Um die „Kreisläufe der Gewalt“ zu stoppen, sei es unabdingbar, „die strikte Einhaltung des Völkerrechts zu gewährleisten.“