Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat Mut bewiesen mit seinem Gang zu den Vereinten Nationen. Er hat israelischen Drohungen und amerikanischem Druck widerstanden - doch dieser Mut war nicht mehr als der Mut der Verzweiflung. Ein strahlender Sieg kann daraus nicht erwachsen, auch wenn es einen Erfolg zu feiern gibt.
Ein schneller Tusch also: Die Palästinenser werden bei den UN zu einem "beobachtenden Nicht-Mitgliedstaat" aufgewertet. Der Kampf um diesen Status aber hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wie verfahren der Friedensprozess in Nahost ist: blockiert von vielen Seiten, überlagert von sachfremden Interessen, begleitet von Hinterlist und Kleinmut. Schließlich wird den Palästinensern seit Jahrzehnten schon von der ganzen Welt ihr eigener, vollwertiger Staat versprochen.
Auch Israel hat sich dazu schon vor fast 20 Jahren bekannt, im Friedensvertrag von Oslo. Und nun soll es plötzlich ein historisches Ereignis sein, wenn die Palästinenser am Katzentisch der Vereinten Nationen einen Platz aufrücken dürfen?
Nein, historisch ist nichts an diesem Vorgang. Im besten Fall ist ein Etappenziel erreicht auf einem immer noch langen Weg. Nach Jahren des Stillstands ist nun wenigstens wieder ein wenig Bewegung in den Friedensprozess gekommen - und dass diese Bewegung außerhalb der Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern entsteht, hat den einfachen Grund, dass es diese Verhandlungen seit Jahren nicht mehr gibt.
Der Erfolg stärkt die moderaten Kräfte
Mahmud Abbas also hatte keine andere Wahl, und so hat er mit diesem einseitigen Schritt hin zu den Vereinten Nationen auch nicht - wie von Israel und den Vereinigten Staaten behauptet - neue Hürden für den Friedensprozess geschaffen. Wenn alle Seiten klug mit dem Ergebnis von New York umgehen, dann könnte er diesem Prozess sogar eine neue Chance eröffnet haben.
Die erste Voraussetzung dazu ist bereits erfüllt: Der Erfolg bei den UN stärkt die moderaten Kräfte im Lager der Palästinenser. Präsident Abbas kann endlich einmal als Sieger vor sein Volk treten, und selbst die konkurrierenden Extremisten von der Hamas haben es diesmal nicht gewagt, den diplomatischen Prozess zu torpedieren. Immer noch nicht auf Augenhöhe, aber durch die Status-Aufwertung wenigstens ein Stückchen gewachsen, könnte Abbas also nun wie angekündigt in neue Verhandlungen mit Israel treten.
Die zweite Voraussetzung dafür ist aber, dass Israels Regierung Abbas nicht gleich wieder mit demütigenden Sanktionen in die Knie zwingt. Die derzeit ungewohnt sanften Töne aus Jerusalem lassen hoffen, dass Premierminister Benjamin Netanjahu dem Rachereflex widersteht - oder zumindest eine klare Ansage dazu aus Washington verstanden hat. Denn die Führungsrolle der USA ist die dritte unabdingbare Voraussetzung dafür, dass ein Neustart im Friedensprozess gelingen kann.
Präsident Barack Obama muss den nahöstlichen Ausgleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit wieder genauso energisch nach oben auf die Agenda setzen wie vor vier Jahren - mit einem Unterschied: Dieses Mal muss er durchhalten. Das sturre Nein der USA bei der palästinensischen Statusaufwertung ist gewiss alles andere als ein guter Start.
Doch aus dieser verlorenen diplomatischen Schlacht sollte in Washington die Erkenntnis erwachsen, dass die Zeit abläuft, um das Konzept der Zwei-Staaten-Lösung noch zu retten - bevor sich die Israelis unwiderruflich in den Wahn des Siedlungsbaus verrannt haben und die Palästinenser geschlossen zurückkehren zum bewaffneten Kampf. Die Alternative zum diplomatischen Prozess war in diesem Monat bereits rund um den Gazastreifen zu sehen: Es ist der Kreislauf sinnloser Gewalt.