Umzug der Familie Wulff:Zurück bleibt nur ein Eimer

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Nur noch weg aus Berlin: Überstürzt ist Christian Wulff mit Frau und Kindern abgereist, in der Einfahrt zur Dienstvilla liegt noch Kinderspielzeug. Während sich die einstige Präsidentenfamilie in ihr Haus in Großburgwedel zurückzieht, freut man sich in der Berliner Nachbarschaft schon auf den Einzug seines Nachfolgers.

Thorsten Schmitz

Zwischen der Pücklerstraße 14 im edlen Berliner Stadtteil Dahlem und Großburgwedel liegen 275 Kilometer. Man kann die Strecke locker in drei Stunden schaffen, aber nicht am Freitagnachmittag, wenn das Wochenende beginnt. Es sei denn, man ist wichtig und hat Anspruch auf einen Wagen, der einen mit Blaulicht eskortiert.

Weg von den Reportern, fort in ein Leben ohne Schloss und Sterne-Köche: Das Ehepaar Wulff mit Kindern und Teddy auf dem Weg nach Großburgwedel. (Foto: dapd)

Am vergangenen Freitag war den Wulffs gar nichts mehr wichtig. Sie wollten Berlin nur noch den Rücken kehren. Weg von den Reporter-Rudeln, fort in ein Leben ohne Schloss und Sterne-Köche. Auf einen Fahrer hatten sie verzichtet. Am Steuer saß Bettina Wulff - ein Hinweis darauf, wer künftig in Großburgwedel das Sagen hat? Hinter den Eltern saßen die Söhne Linus (mit Teddybär) und Leander. Man fragt sich, worüber die Wulffs auf der Fahrt geredet haben.

Es muss eine überstürzte Abreise gewesen sein: In der Einfahrt zur Dienstvilla des Bundespräsidenten in Dahlem liegt an diesem Montagvormittag noch eine gelbe Sandkastenschaufel und ein rotblauer Sandkasteneimer. Hat das nicht mehr in den Skoda Yeti gepasst?

Am frühen Freitagabend erreichten die Wulffs das Haus in Großburgwedel, dessen Finanzierung Wulffs Rücktritt ausgelöst hat. Ein paarmal haben die Wulffs das Haus seitdem verlassen: Am Samstagabend für zwei Stunden und am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr 30. Da brachte ein Lieferant frische Brötchen und Zeitungen vorbei.

Wechsel in der Präsidentenvilla

In der zweistöckigen Präsidentenvilla, die vor dem Einzug der Wulffs für 800.000 Euro renoviert werden musste, weil das Dach undicht war und man in der Bausubstanz Asbest entdeckt hatte, ist an diesem Montag kein Leben auszumachen. Man könnte jetzt lüften, aber alle Fenster sind zu.

Bundespräsidenten und ihre Familien dürfen die Fenster der Jugendstilvilla nicht öffnen, wenn sie zu Hause sind. "Sicherheitsgründe", sagt ein Polizist. Joachim Gauck wohnt in einer Altbauwohnung im Bayerischen Viertel von Schöneberg, wo es, im Gegensatz zu Dahlem, viele Kneipen, Restaurants und Kinos gibt. Ob er seinen Kiez verlassen wird?

Gegenüber der Bundespräsidenten-Villa öffnet sich eine Haustür. Eine Frau tritt heraus, sportlich gekleidet. Sie sagt, sie sei auf dem Weg zum Pilates-Unterricht. "Ja, das ist ja schon irgendwie traurig, dass wir schon wieder einen Bundespräsidenten verlieren. Aber das gehört zur Demokratie!" Bettina Wulff habe immer gelächelt, wenn sie den Nachbarn begegnet sei. Die Nachbarin schließt ihr Auto auf und sagt: "Wir freuen uns hier alle auf den Gauck. Der hat so was Menschliches."

Nahles: Frage nach Ehrensold für Wulff ist "kleinlich"

Menschliche Größe beweist nach diesem turbulenten Wochenende, an dem die Koalition auf der Kippe gestanden haben soll, dann (ausgerechnet) eine Sozialdemokratin. Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD, findet die Debatte müßig, ob dem 52-jährigen Alt-Bundespräsidenten ein Ehrensold in Höhe von 199.000 Euro im Jahr zusteht. Diese Frage sei "kleinlich", findet Nahles. Üblicherweise steht der Ehrensold nur Bundespräsidenten zu, die aus gesundheitlichen oder politischen Gründen aus dem Amt scheiden.

Ob Christian Wulff sich jetzt einen Job sucht, als Rechtsanwalt etwa, oder ob er Frühpensionär bleiben möchte mit diesem feinen weichen Rentenpolster, darüber wird die Administration des Bundespräsidialamtes entscheiden, wie es am Montag hieß. Das Amt also, dessen Mitarbeiter noch bis vor wenigen Tagen an den Reden von Wulff gefeilt und seine Reisen koordiniert hat.

Joachim Gauck ist noch nicht gewählt und Christian Wulff schon wieder in Großburgwedel. Man könnte meinen, im Bundespräsidialamt sei gerade nicht viel zu tun. Offenbar aber doch. Die Mitarbeiter schaffen es trotz aller Bemühungen nicht, im Laufe des Montags sieben einfache Fragen zu beantworten, die man ihnen am Morgen per E-Mail gesendet hat. Fragen danach, wer die Umzugskosten übernimmt, wer für die Renovierung der Dienstvilla in Dahlem aufkommt - und ob es einen Großen Zapfenstreich geben wird für Christian Wulff, der einmal Bundespräsident war.

© SZ vom 21.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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