Umweltschutz:Ein bisschen Schock muss sein

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Zu putzig: Um den Kibitz sorgen sich die Deutschen kaum. (Foto: dpa)

Die Deutschen sorgen sich um die Natur - vor allem, wenn Bilder sie aufrütteln.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das Schicksal von Kiebitz und Feldlerche haben die meisten Deutschen noch gar nicht so richtig auf dem Schirm. Klassische Agrarvögel - und damit ständig bedroht von der Landwirtschaftspolitik der EU. "Das ist leider nicht so im Bewusstsein", sagt Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. "Da würde ich mir wünschen, dass wir mehr darüber reden." Schließlich gingen die neuesten Pläne für eine Reform der Agrarpolitik schwer zulasten von Kiebitz oder Feldlerche. "Für die Natur bedeuten die Vorschläge nichts Gutes", sagt Jessel.

Wohl aber sind vielen Deutschen die Bilder verendeter Seevögel vor Augen, in deren Mägen sich Plastikmüll fand. Das geht aus der jüngsten Naturbewusstseinsstudie hervor, die Jessel und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Freitag in Berlin vorstellten. Danach sehen 78 Prozent der Bundesbürger darin ein "sehr großes Problem", größer als die Verschmutzung mit Erdöl, mit Düngemitteln oder schlicht die Überfischung der See. Wenige Umweltthemen hatten in jüngster Zeit solche Schlagzeilen gemacht wie das Plastik im Meer. "Das Thema hat an Fahrt gewonnen", sagt Schulze. Die Bilder von verendeten Tieren seien Symbole für den schlechten Zustand der Meere. "Wir sind ein Küstenstaat mit zwei Meeren und haben da eine besondere Verantwortung."

Nicht nur Kiebitz und Feldlerche treten dahinter derzeit im öffentlichen Bewusstsein zurück, sondern auch das problematische Mikroplastik im Meer. Anders als Plastiktüten und Wattestäbchen sind die feinen Partikel, die vor allem in Kosmetika, Duschgels und Cremes enthalten sind, nicht sichtbar. "Verglichen mit dem Plastikmüll ist es das größere Problem", sagt Jessel. Man sehe die Partikel zwar nicht. "Aber sie breiten sich über die Nahrungskette aus."

Dabei ist den Deutschen ihr Essen beileibe nicht egal. Von den mehr als 2000 befragten Bundesbürgern würde nicht einmal ein Drittel bedenkenlos gentechnisch veränderte Lebensmittel zu sich nehmen. 78 Prozent wenden sich grundsätzlich dagegen, Pflanzen oder Tiere gentechnisch zu manipulieren. Ähnlich viele Bürger machen sich über den Zustand der Natur weltweit Sorgen.

Allerdings hängt das Bewusstsein für die Natur auch mit Einkommen und persönlichem Hintergrund zusammen. Menschen mit geringen Einkommen sind oft weniger sensibel dafür als solche mit höherem. "Allerdings fällt ein höheres Naturbewusstsein oft auch zusammen mit einem größeren ökologischen Fußabdruck", sagt Schulze. Wer viel verdient, bucht auch eher mal einen Flug in die Ferne.

Und dann hat Bewusstsein auch immer etwas mit dem Wissen zu tun - und sei es um das Schicksal von Feldlerche und Kiebitz. Eine zunehmend intensive Landwirtschaft raubt ihnen die Lebensräume, so wie vielen anderen Feldvögeln und Insekten auch. Eine Reform der europäischen Landwirtschaftspolitik sollte dem entgegenwirken und mehr Geld für den Schutz der Umwelt bereitstellen - eigentlich. Doch die Brüsseler Vorschläge sähen nun weniger Geld für den Naturschutz vor, sagt Schulze. "Genau das Gegenteil von dem, was wir fordern." Nötig sei dringend etwas mehr Rampenlicht - auch für dieses Problem.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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