Umweltpolitik:USA und Europa im Streit über Klimaschutz

Der Folgevertrag des Kyoto-Protokolls steht auf der Kippe. Die USA und Europa können sich nicht einigen. UN-Generalsekretär Ban sieht die Zukunft der Menschheit in Gefahr.

Europa und die USA könnten sich in Fragen des Klimaschutzes nicht einig werden, noch bevor die Verhandlungen zu einem neuen Vertrag zur Regulierung von Treibhausgasen überhaupt beginnen. Mit Blick auf die im Dezember in Kopenhagen anstehenden Verhandlungen über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen forderte der US-Energieminister Steven Chu erreichbare und durchsetzbare Zielmarken bei der Begrenzung des Treibhausgases Kohlendioxid. Eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 30 oder gar 40 Prozent sei für die USA bis 2020 wahrscheinlich zu ambitioniert, sagte Chu in Wien und warnte, der US-Senat würde eine solche Zielmarke ablehnen.

Umweltpolitik: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon macht sich Sorgen, dass die Verhandlungen zu einem neuen Klima-Vertrag nicht vorankommen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon macht sich Sorgen, dass die Verhandlungen zu einem neuen Klima-Vertrag nicht vorankommen.

(Foto: Foto: AP)

Der britische Guardian berichtete unterdessen, dass die Vorgehensweise der USA einen neuen Vertrag untergraben würde. Dadurch würden die Möglichkeiten weltweit geschwächt werden, Treibhausgase zu reduzieren.

Bei einem Treffen der Vereinten Nationen in Kopenhagen sollte im Dezember ein neuer Vertrag ausgehandelt werden. Er wird als die letzte Chance gesehen, den Planeten von einer Temperaturerhöhung um zwei Grad Celcius oder mehr zu retten. Die Neuigkeiten, dass die USA und Europa sich in der Klimafrage spalten könnten, kommen just vor dem Gipfel in Kopenhagen. Es wird befürchtet, die Verhandlungen würden keinen Fortschritt bringen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte dem Guardian, die Verhandlungen seien festgefahren und es müsste sich nun wieder etwas bewegen. Vor einem außerplanmäßigen UN-Klimagipfel in New York nächste Woche appellierte er an die 100 teilnehmenden Staatschefs, dass die Zukunft der gesamten Menschheit in ihren Händen liege. Er sagte: "Wir sind besorgt, dass die Verhandlungen nicht vorankommen." Es sei also von immenser Bedeutung, Führungsstärke und politischen Willen zu zeigen.

Keine offene Kritik

Die USA und Europa können sich derweil nicht darauf einigen, wie die nationalen Reduktionsziele von Treibhausgasen gemessen werden sollen. Europa drängt darauf, die Strukturen des Kyoto-Protokolls beizubehalten, welches bislang als globaler Vertrag zum Klimaschutz gilt. US-Unterhändler teilten den Europäern mit, dass die Obama-Administration plane, fast die gesamte Architektur des Kyoto-Protokolls zu verwerfen und durch ein neues System zu ersetzen.

Das Thema ist hochempfindlich und die Europäer zögern, die Obama-Administration offen zu kritisieren. Schließlich bringe sich diese überhaupt erstmals seit Präsident George W. Bush in die Klima-Debatte auf eine konstruktive Art ein. Die Europäer fürchten sich laut Guardian davor, dass die Vorgehensweise der USA einen starken neuen Vertrag verhindere. Die USA distanzierten sich unter George W. Bush von Kyoto, da es China keinerlei Einschränkungen auferlegt. Europäische Unterhändler waren sich bewusst, dass die USA nur zögerlich mit dem Kyoto-Protokoll umgehen würden. Sie hofften aber, es als Fundament für eine neue Vereinbarung nehmen zu können.

Sollte Kyoto gekippt werden, könnte es mehrere Jahre dauern, bis ein Ersatzvertrag ausgehandelt sei, sagte eine dem Guardian bekannte Quelle. "In Europa wollen wir auf dem Kyoto-Protokoll aufbauen, aber der Vorschlag der USA würde es abtöten. Wenn wir bei Null anfangen müssen, dauert alles sehr lange. Es könnte 2015 oder 2016", hieß es weiter. Es sei außerdem unwahrscheinlich, dass Europa sich gegen die USA auflehne.

Laut UN-Klimarat müssen die weltweiten Emissionen 2015 ihren Höhepunkt erreichen und dürfen nicht weiter steigen, wenn ein Anstieg der Temperatur um zwei Grad Celcius vermieden werden soll.

Der Plan der USA könnte auch viele Entwicklungsländer verärgern, die darauf bedacht sind, das Kyoto-Protokoll beizubehalten, da es eher die reichen Länder in die Pflicht nimmt. Entwicklungsländer fordern von den Industrienationen, ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Bislang haben sich die USA jedoch lediglich darauf festgelegt, ihre Emissionen bis 2020 auf das Niveau von 1990 zu begrenzen. Im Vergleich zu 2007 wäre dies eine Reduzierung um 14 Prozent.

Im Kyoto-Protokoll wird die Treibhausgas-Reduktion nach einem internationalen System geregelt, dass die Berechnung der Emissionen und die Verteilung von Emissions-Krediten regelt. Die USA favorisieren ein System, in dem jedes Land selbst entscheidet, wie es seine Ziele erreicht.

Details des US-Plans stehen noch aus. Ein an die Vereinten Nationen übermittelter Entwurf des Obama-Teams vom Mai enthält eine Klausel, die die Konformität der Reduktionen mit inländischem Recht vorschreibt. Rechtsexperten sagen, die Klausel solle die USA davor schützen, internationale Bestimmungen umzusetzen, denen sie nicht zustimmen würden.

Die Angst vor dem Senat

Der Sonderweg der Amerikaner zeige einen "vorgeschichtlichen" Grad der Debatte über den Klimawandel in den USA, sagte ein ranghoher europäischer Beamter. Zudem gebe es in der Obama-Administration die Angst, dass ein neuer globaler Vertrag im US-Senat nicht durchgesetzt werden könne, wo eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Verabschiedung nötig wäre. Die USA haben seit 1992 kein größeres internationales Umweltabkommen mitgetragen. Präsident Clinton hat das Kyoto-Protokoll nie unterzeichnet, nachdem der Senat eindeutig dagegen war.

Laut Guardian sei der Vorschlag der USA, die Länder selbst über die Art der Reduktion bestimmen zu lassen, nur darauf ausgerichtet, ihn durch den Senat zu bekommen. Der Regierung sei aber nicht wirklich klar, was das für die Vereinbarung von Kopenhagen bedeuten könnte. Es könnten dadurch nämlich Hintertüren für Länder geöffent werden, die es gestatten, tatsächliche Treibhausgas-Reduktionen zu unterlassen.

Stuart Eizenstat, der die Interessen der USA in den Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll vertrat, sagte: "Es gibt einen großen Wechsel in der Einstellung der USA (zum Klima) und der neue Präsident setzt sich sehr für dieses Thema ein. Aber die EU muss die begrenzten Möglichkeiten der USA verstehen. Es ist unmöglich für meinen Nachfolger, etwas in Kopenhagen auszuhandeln, was über den vom Kongress gestatteten Emmisionshandel hinausgeht."

USA wollen realistisch bleiben

Energieminister Chu verwies darauf, dass die meisten im Kyoto-Abkommen gesteckten Ziele nicht eingehalten worden seien. Deshalb sei es nun besonders wichtig, realistische Marken festzuschreiben. Die Industrienationen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und dem Rest der Welt beweisen, dass eine Reduktion um 20 bis 30 Prozent allein durch einen sparsameren Umgang mit Energie möglich ist, forderte der US-Minister.

Nigel Purvis, der ebenfalls im amerikanischen Kyoto-Team arbeitete, sagte: "Es sind in Europa keine willkommenen Nachrichten, aber die Architektur des Kyoto-Vertrages sollte keinen gültigen Charakter bei neuen Verhandlungen haben. Viele Entscheidungen wurden getroffen, als die USA nicht mit am Verhandlungstisch saßen."

Er bestritt, dass die Vorgehensweise den neuen Vertrag schwächen würde. Es sei wichtig für die USA, an Verhandlungen zu einem Abkommen teilzunehmen, dem es sich auch anschließen kann. Andere Vereinbarungen ohne die USA würden die Anstrengungen zunichte machen, das Klima zu schützen. Es sei nicht schwächer, ein System zu haben, das viele Länder miteinbeziehe.

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