Süddeutsche Zeitung

Umweltpolitik:"Schwache Taten im eigenen Land"

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Weg mit dem Verbrennungsmotor und den Kohlekraftwerken: Umweltverbände fordern eine Neuausrichtung der Politik.

Von Sebastian Jannasch, Berlin

Die großen deutschen Naturschutzverbände stellen der scheidenden Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis für ihre Umweltpolitik aus. In einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag in Berlin warfen BUND, Nabu, WWF, Greenpeace und der deutsche Naturschutzring (DNR) der großen Koalition eine bigotte Haltung vor. International trete die Bundesregierung für starke Klimaschutzabkommen ein, dagegen gebe es aber nur "schwache Taten im eigenen Land", sagte Christoph Heinrich von der Umweltorganisation WWF. "In der kommenden Legislaturperiode müssen endlich die Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, in konkrete Maßnahmen übersetzt werden", sagte DNR-Präsident Kai Niebert.

Von der nächsten Koalition forderten die Umweltschützer daher allerlei Wenden, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens und der Zusage zum langfristigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern gerecht zu werden. Vor allem in den Bereichen Verkehr, Energie und Landwirtschaft müsse die Politik neu ausgerichtet werden. Greenpeace forderte, dass sich nach Frankreich und Großbritannien nun auch Deutschland auf einen Zeitpunkt festlegen müsse, von dem an keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. "Wir glauben, dass das schon 2025 möglich ist. Mobilität muss künftig ohne Öl auskommen", sagte Geschäftsführerin Heuss. Die Regierung dürfe nicht länger als "Lobbyist der Automobilindustrie" auftreten. Es brauche einen Aktionsplan für sauberere Luft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich grundsätzlich offen für ein Aus des Verbrennungsmotors gezeigt, jedoch keinen Zeitpunkt genannt, CSU-Chef Horst Seehofer lehnt ein Verbot ab. Für ein mögliches schwarz-grünes Bündnis könnten die Verbrenner zum Stolperstein werden, denn für die Grünen ist der Abschied vom Verbrennungsmotor Bedingung für eine Regierungsbeteiligung.

Beim Klimaschutz sehen die Umweltverbände besonders großen Nachholbedarf. "Die Klimaschutzbilanz der aktuellen Bundesregierung ist verheerend: Wenn jetzt nichts geschieht, wird das Klimaziel für 2020 weit verfehlt", sagte Christoph Heinrich, verantwortlich für den Naturschutz beim WWF Deutschland. Er verlangte, dass die nächste Regierung den Ausstieg aus der Kohleverstromung beschließen müsse. "Deutschland verbrennt mehr schmutzige Braunkohle als jedes andere Land der Welt, und unser CO₂- Ausstoß ist seit 2009 nicht gesunken." Um auch international weiterhin glaubwürdig auftreten zu können, müsse die nächste Regierung sich dazu verpflichten, bis 2035 aus der Kohleverstromung auszusteigen und bereits 2019 40 Kohlekraft-Blöcke vom Netz nehmen, die zu diesem Zeitpunkt mindestens 30 Jahre in Betrieb seien.

Dritter Schwerpunkt für die künftige Umweltpolitik ist für die Verbände die Landwirtschaft. "Die Bundesregierung muss sich von dem Leitbild agrarindustrieller Entwicklung verabschieden", sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Das derzeitige Agrarsystem führe zu Massentierhaltung, dem Verlust der Artenvielfalt und Höfesterben. "Am Ende sind es auch die Bauern, die auf eine intakte Natur angewiesen sind, auf die Leistungen der Bienen und gesunde Böden", sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Deshalb müsse die Förderung der Landwirte stärker an Umweltbelange geknüpft werden.

Ein wenig Lob fanden die Verbände nur für Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die ambitionierte Umweltziele verfolgt habe, aber zu oft vom Kanzleramt ausgebremst worden sei. In der nächsten Regierung solle das Umweltressort deshalb gestärkt werden.

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SZ vom 06.09.2017
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