Umweltpolitik:Geld gegen Bäume

Forderungen nach mehr Naturschutz hat Brasilien zurückgewiesen. Für zehn Milliarden Dollar aber würde es sich darauf einlassen.

Von Michael Bauchmüller

Was ist es wert, ein Stück Regenwald zu schützen? Was ist der Preis für den Erhalt der "grünen Lunge"? Seit Jahren beschäftigt das die Staatengemeinschaft, es sagt auch viel über Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro. Einerseits pocht er auf Brasiliens Souveränität, was den Regenwald angeht. Alle Ratschläge, Bitten, Forderungen seien Einmischung von außen, eine Form des Kolonialismus. Gegen Transfers, mit denen sich der Schutz der Regenwälder versilbern ließe, hat Brasilien dagegen nichts. Auf zehn Milliarden Dollar jährlich hat Umweltminister Ricardo Salles die nötige Gegenleistung zuletzt taxiert - zu zahlen durch die Staatengemeinschaft.

Dahinter verbirgt sich eine Grundsatzfrage der Klimapolitik. Wenn Treibhausgase keine Grenzen kennen, warum soll der Klimaschutz nur national erfolgen? Warum sollten sich nicht Anstrengungen im Ausland, seien es Aufforstungen oder Ökostromprojekte, nicht auch auf die heimische Klimabilanz anrechnen lassen?

Anhänger solcher Mechanismen gibt es viele, auch in Deutschland. Erst am Montag beschloss die Unionsfraktion ein Positionspapier zur europäischen Klimapolitik - mitsamt Klimaschutz im Ausland. Man setze sich für "die Schaffung einer Anrechenbarkeit von Klimamaßnahmen und Emissionsminderungen in Drittstaaten ein, um ein ambitioniertes EU-Klimaziel 2030 zu erreichen", heißt es darin. Allerdings dürften darunter nicht die Klimaschutzmaßnahmen in den jeweiligen Drittstaaten leiden.

Derlei Mechanismen gab es schon unter dem Kyoto-Protokoll. Unternehmen konnten so durch Klimaschutz im Ausland Zertifikate generieren, die sie andernorts weiterverkaufen konnten. Auch Brasilien mischte tüchtig mit. Am Ende aber erwies sich das System als Einladung zum Missbrauch. Ob sich hinter den Zertifikaten tatsächlich Klimaschutz verbarg, blieb oft fraglich. Auch ein eigenes System, das gezielt Wälder schützen sollte, konnte an der Abholzung nicht viel ändern.

Schon deshalb stocken seit Jahren alle Verhandlungen über einen neuerlichen Mechanismus. Im Pariser Klimaabkommen vereinbarten die Staaten nur den Grundsatz, doch über die Details können sie sich seither nicht einigen. Und daran wiederum ist Brasilien nicht unschuldig. Brasilia setzt sich für möglichst laxe Regeln ein. Unter dem Strich käme so nicht mehr, sondern weniger Klimaschutz raus. Auf zwei Klimakonferenzen blieb das Thema zuletzt ungelöst. Stets sollte der nächste Klimagipfel den Durchbruch bringen - nun der in Glasgow. Doch der ist wegen der Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben.

Brasilien war zuletzt vor allem durch Destruktion aufgefallen, seine Delegation hielt auch die Klimakonferenz in Madrid bis zuletzt in Atem. Mit dem paradoxen Ergebnis, dass es nun eben keinerlei Mechanismen und Transfers gibt - nicht für die Anrechnung von Klimaschutz, nicht für den Schutz von Wäldern. Auch der Amazonas-Fonds, gespeist durch Norwegen und zu einem kleinen Teil durch Deutschland, läuft leer. Beide Länder haben ihre Zahlungen vergangenen Sommer eingestellt - aus Protest gegen die Entwaldung. Bolsonaro hatte seinerzeit trotzig reagiert. Norwegen solle das Geld eben Angela Merkel geben - für die Wiederbewaldung Deutschlands.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: