Barbara Hendricks:Plötzlich Umweltministerin mit Leidenschaft

Barbara Hendricks

Hat die Leidenschaft für ihr Amt entdeckt: Umweltministerin Barbara Hendricks.

(Foto: AFP)
  • Barbara Hendricks hat lang mit dem Amt der Umweltministerin gefremdelt. Nun aber zeigt die Ministerin plötzlich Leidenschaft für ihr Ressort.
  • Mit Vizekanzler Gabriel lieferte sich Hendricks eine heikle Auseinandersetzung um die Zukunft der deutschen Kohlekraftwerke.
  • Vom Klimagipfel in Lima reist Hendricks pünktlich zum Wochenende wieder ab, obwohl die Verhandlungen noch laufen.

Von Michael Bauchmüller, Lima

Wann aus Barbara Hendricks eine Umweltministerin geworden ist, lässt sich nicht genau sagen. Es war jedenfalls nicht an dem Tag vor ziemlich genau einem Jahr, an dem sie ihre Urkunde entgegennahm. Es war auch nicht bei ihrer Humboldt-Rede, jener großen Grundsatzrede, die jeder Umweltminister zu Beginn seiner Amtszeit hält: Hendricks verlas ihre Prinzipien ohne jede Leidenschaft. In einem Tempo, als hätte sie danach noch einen Friseurtermin. Es war auch nicht, als sie erstmals das marode Endlager Asse besuchte - um dort besorgten Bürgern trocken mitzuteilen, dass wohl die wenigsten von ihnen dessen Sanierung noch erleben würden. Wenn der Sozialdemokratin die leibhaftige Umweltpolitik über den Weg lief, dann sagte sie nicht einmal Hallo. So sehr fremdelte sie mit dem neuen Amt. Aber etwas hat sich verändert.

Berlin, vergangene Woche Donnerstag. Die Grünen haben eine aktuelle Stunde beantragt, sie wollen das Klimapaket auseinandernehmen, das tags zuvor das Kabinett passierte. Stattdessen keilt Barbara Hendricks. "Ihre Rede hat mich wirklich enttäuscht", bescheidet sie die Grüne Bärbel Höhn, nebenbei auch Chefin des Umweltausschusses. "Nörgelnd im Abseits" stünden die Grünen, so geht das zehn Minuten weiter. Am Ende staunen auch Unions-Abgeordnete über den scharfen Ton der Ministerin. Denn als gute Rednerin ist Hendricks nun wirklich nicht bekannt. Ihr Charisma entspricht eher dem einer Schatzmeisterin.

Im Zwist mit Gabriel

Was ist passiert? Hinter Hendricks liegt an diesem Donnerstag ihre bislang heikelste Auseinandersetzung, mit keinem geringeren als Sigmar Gabriel, um nicht weniger als die Zukunft deutscher Kohlekraftwerke. Eigentlich war seit dem Sommer klar, dass sie auch dazu beitragen müssen, die deutschen Klimaziele bis 2020 noch zu erreichen. Doch fünf Wochen vor der Kabinettsentscheidung, Ende Oktober, scheint Sigmar Gabriel zu wackeln. Er bangt um den Rückhalt der Gewerkschaften. Gabriel ist nicht nur Hendricks' Parteichef, er war schon ihr Chef, als sie noch Schatzmeisterin im Willy-Brandt-Haus war. Als Wirtschaftsminister wäre er ohnehin der natürliche Gegner jedes Umweltministers der jüngeren Vergangenheit.

Hendricks sitzt in der Klemme. Sie kann schweigen - und verspielt absehbar den letzten Rest ihrer bescheidenen Ministerbilanz. Oder sie kann auf den Klimaschutz pochen - und damit Gabriel beschädigen oder selbst Schiffbruch erleiden. Hendricks, vernetzt im Sozialdemokraten-Zirkel der Seeheimer, zieht in den Kampf. Bei einer Pressekonferenz gibt sich die sonst so stille Ministerin hart, fordert Einschnitte auch bei der Kohlekraft. So soll es am Ende kommen. Der Kabinettsentscheid Anfang Dezember wird zum ersten öffentlich zählbaren Erfolg für Hendricks. Tags darauf keilt sie im Bundestag.

Barbara Hendricks

Umweltministerin Barbara Hendricks erhält, wie auch hier bei der UN-Klimakonferenz in Lima, viel Lob für ihren Einsatz bei der Energiewende.

(Foto: Juan Karita/AP)

Als sie mit ihrer Abrechnung dort fertig ist, rafft sie ihr Manuskript zusammen, klopft die Blätter hochkant auf dem Rednerpult zurecht und zieht ab. Einen kurzen Moment nur ist das Blatt zu sehen, das zuunterst liegt: der "Eco". Das ist jenes kleine Bulletin, mit dem Umweltschützer Tag für Tag von der Klimakonferenz berichten, auch an jenem 4. Dezember. Meist ist er voll von Insiderwissen für die Feinschmecker internationaler Klimapolitik. Aber für Hendricks?

Hendricks wird klar, wofür Deutschland im Klimaschutz steht

Womöglich war es auch ein Nachmittag in New York, der ihr die Distanz zum Amt genommen hat. Hendricks ist nach New York gereist, sie soll dort die Kanzlerin beim Klimagipfel von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon vertreten. Vorher aber geht sie noch zur Klimademo. Für die VIPs sind dort eigene Plakate vorbereitet, mit einer typischen Klimademo-Floskel. "Act now, not tomorrow" steht darauf, handle jetzt und nicht erst morgen. Darunter ist ein großes Namensfeld frei, Hendricks schreibt mit einem dicken Filzstift ihren Namen: "Barbara Hendricks GERMANY."

In den Stunden darauf wird ihr klar werden, wofür Germany im Klimaschutz steht. Leute kommen zu ihr und beglückwünschen sie, als wäre Hendricks Ms. Energiewende persönlich. Es ist eine Anekdote, die sie seither gern erzählt, wie eine wachsende Zahl ähnlicher Geschichten auch. Hendricks ist keine Aktenfresserin. Sie nimmt mehr mit aus Begegnungen, mitunter auch die trivialsten Erkenntnisse. So tröpfelt die Erkenntnis in Hendricks spärliches Amtszimmer. Selten hat das Umweltministerium, das aus nicht wenigen Ministern überzeugte Umweltschützer machte, so eine Spätstarterin gesehen.

Viele ihrer Vorgänger kamen ähnlich unbedarft ins Amt. Dann kam die erste Klimakonferenz. Wer das Gespür dafür hat, der entdeckt hinter dem Wahnsinn multilateraler Verhandlungen, in dem einzelne Sätze über Kapitulation oder Durchbruch im Kampf gegen die Erderwärmung entscheiden können, so etwas wie eine kollektive Leidenschaft für eine bessere Welt. Schon so mancher deutsche Fachminister kam als zuständiges Regierungsmitglied an und reiste als Umweltminister wieder ab: Sigmar Gabriel ging es 2005 so, Norbert Röttgen 2009 auch, und selbst die Kanzlerin und ehemalige Umweltministerin Angela Merkel erfasste Mitte der 90er das Fieber internationaler Klimapolitik.

Reisestrapazen fordern ihren Tribut

Hendricks, 2014, kann sich nur kurz darauf einlassen. Nach wenigen Stunden auf der Konferenz fordern die Strapazen der Reise Tribut, Hendricks muss einen Tag Pause machen. Bis dahin aber ist sie schon überschüttet worden mit Lob und Bestärkungen. "Deutschland ist ohne Zweifel ein Weltführer im Klimaschutz", lobt Mexikos Umweltminister Juan José Guerra Abud. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erwähnt in seiner Eröffnungsrede das deutsche Klimapaket. Großbritanniens Klimaminister Ed Davey kürt Berlin zu einem der wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Erderwärmung. Das wenigste davon hat Hendricks mit gesät. Aber sie erntet es gern. Ihre eigene Saat muss sie erst noch ausbringen - wenn sie es denn will.

Am Freitagabend wollte Barbara Hendricks Germany wieder abreisen, pünktlich zum Wochenende. Die Verhandlungen sind zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal abgeschlossen. Zumindest aber ihre Rede hat sie noch halten können. Sie mahnt, wie jeder ihrer Vorgänger, zum Kampf gegen die Erderwärmung, dann schließt sie mit einem Nachmittag in New York. "Die Demonstranten dort haben gesagt: Act now, not tomorrow", verliest sie in holprigem Englisch. "Lasst uns genau das machen." Gelernt ist gelernt.

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