Umweltminister Röttgen:Strahlemann im Abwehrkampf

Biosprit-Desaster in Berlin, ein drohender Wahlkampf in NRW: Umweltminister Röttgen, lange als potentieller Kanzlerkandidat gehandelt, muss aufpassen, sonst landet er für fünf Jahre auf der Oppositionsbank in Düsseldorf.

Michael Bauchmüller und Bernd Dörries

Vor zwei Monaten ist Norbert Röttgen einmal unter Tage gefahren, ins Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop. Er hat sich das alles angeschaut 1000 Meter unter der Erde und hat dann ein paar wohlwollende Sätze gesagt über den Strukturwandel im Ruhrgebiet, über die tollen Chancen der Region. Röttgen sah etwas ungewohnt aus mit der schwarzen Kohle im Gesicht und einem Overall anstatt der schmalen Anzüge.

Politischer Aschermittwoch - CDU NRW

Umweltminister Norbert Röttgen beim Politischen Aschermittwoch in Lennestadt-Kirchveischede.

(Foto: dpa)

Es war das erste Mal, dass Röttgen in ein Kohlebergwerk einfuhr, obwohl er doch die meiste Zeit seines Lebens in Nordrhein-Westfalen gelebt und Politik gemacht hat. Es sah so aus, als würde Röttgen noch fremdeln mit diesem Teil des Bundeslandes. Er ist bisher selten runtergekommen in die Realität der Menschen. Er hat lieber aus der Tagesschau zu ihnen gesprochen.

Lange hat das ganz gut funktioniert für Norbert Röttgen, man sah den Bundesumweltminister auf Klimagipfeln in fernen Ländern und bei den Vereinten Nationen in New York. Manchmal bekam man ihn auch in Düsseldorf zu Gesicht, wo er im vergangenen Jahr den Landesvorsitz der CDU übernommen hatte. Spötter in der Partei hatten schon damals gelästert, Röttgen wolle die Macht nur, um mit dem größten Landesvorsitz im Rücken Bundeskanzler zu werden und später gute Voraussetzungen zu haben, UN-Generalsekretär zu werden.

Jetzt sind die Bilder plötzlich gar nicht mehr so schön, nichts will mehr gelingen. Die Negativ-Serie begann im vorigen Herbst, als Röttgen eine Atom-Entscheidung mittragen musste, die er lange mit aller Kraft bekämpft hatte. Es setzte sich fort im Winter im Wendland, wo Röttgen mit einer Charme- und Transparenzoffensive noch einmal Rückhalt für das Endlager-Projekt Gorleben organisieren wollte, aber nichts erntete außer Hohn und Ablehnung. Und es findet seinen vorläufigen Höhepunkt in der bemerkenswerten Auseinandersetzung um einen neuen Kraftstoff, den offenbar keiner liebt, den Röttgen aber mitverantwortet.

Lange galt der Jurist Röttgen als Strahlemann in Merkels Reihen, als potenzieller Kanzlerkandidat, irgendwann. Nun aber ist er nur noch in der Defensive, und Nordrhein-Westfalen, wo er so gerne die CDU führen wollte, könnte die ganze Karriereplanung durcheinanderbringen. Denn derzeit sieht es eher so aus, als würde das nichts mit dem Kanzleramt, als würde er nicht einmal mehr als Umweltminister um die Welt reisen - sondern im Düsseldorfer Landtag ein Zimmer mit Rheinblick beziehen und die nächsten fünf Jahre als Oppositionspolitiker das Wasser pflügen.

Kein Garant für gute Schlagzeilen

Nordrhein-Westfalen rutscht auf Neuwahlen zu in diesen Tagen. Fast alle Parteien haben sich so lange gegenseitig damit gedroht, dass sie nun in der selbst gebauten Falle sitzen. Aber während sich die anderen Parteien so langsam auf den Kampf um die Wähler vorbereiten, sieht es bei CDU und Röttgen abermals nach Defensive aus. Die Union, so scheint es, befindet sich noch in einem Abwehrkampf gegen einen erneuten Urnengang, der schon Ende Mai kommen könnte. Als habe er seine Terminkalender als Bundesumweltminister und Landesvorsitzender nebeneinander gelegt und gemerkt, dass das kaum gehe, schon zeitlich nicht.

Dabei ist das überhaupt kein Problem, jedenfalls nicht aus Sicht von Oliver Wittke. "Ein Wahlkampf würde 60 Tage dauern, der Dienstsitz des Ministeriums ist Bonn", sagt der CDU-Generalsekretär in Düsseldorf. Wahlkampf aus dem Ministerium und über die Tagesschau also. "Die mediale Wahrnehmung eines wichtigen Bundespolitikers ist einer Spitzenkandidatur nun wahrlich nicht abträglich", sagt Wittke.

Doch genau das ist die Frage, denn viel Glanz verleiht das Amt des Umweltministers derzeit nicht. Hinter dem Streit um den Biosprit lugt ein unangenehmes Problem hervor, denn zunehmend stellen auch Unionspolitiker Röttgens Politik in Frage. Erneuerbare Energien, Klimaschutz? Selbst führende Unionspolitiker wollen einen Kurswechsel. Was immer Röttgen noch erreichen will im Amt, er muss es erst in den eigenen Reihen durchsetzen. Lange nicht mehr hatte ein Umweltminister einen so schweren Stand unter Parteifreunden. Das ist Teil von Röttgens Abwehrkampf. Und ganz sicher kein Garant für gute Schlagzeilen.

"Er war schon mal souveräner"

So wenig wie E10, der Sprit mit Ethanolzusatz. Röttgen steckt da im Schlamassel, denn auch der "Benzingipfel" im Wirtschaftsministerium macht den Erfolg des umstrittenen Benzins nicht wahrscheinlicher. Er bringt nur vorübergehend Ruhe. Teilnehmer des Spitzengesprächs berichten von einem aufgebrachten Umweltminister, der sich unnötig in Debatten mit der Mineralölindustrie verstrickt habe. "Ich habe Röttgen schon ruhiger erlebt", sagt einer, der dabei war, "und auch souveräner". Röttgen dürfte schwanen, dass diese Debatte wiederkommen kann, wenn die Leute E10 weiter boykottieren. Wenn es dumm läuft, mitten im Wahlkampf.

Vielleicht wird aber auch noch alles gut für Röttgen und seine großen Pläne. Er hat ja gezeigt, dass er kämpfen und überzeugen kann. Röttgen hat im vergangenen Jahr eine ziemlich einsame Kampfkandidatur um den Landesvorsitz geführt, gegen Ex-Integrationsminister Armin Laschet und gegen fast alle Funktionäre der Partei. Er hat klar gewonnen und das nicht, weil Laschet so schlecht gewesen ist.

Der parteiinterne Wahlkampf hat nicht einmal tiefe Gräben hinterlassen, die Freundschaft zu Armin Laschet ist einigermaßen wiederhergestellt. Man wird miteinander den Wahlkampf bestreiten. Für Laschet hat er bereits begonnen, er würde gerne wieder Minister werden. Denn für viele in der CDU ist mit den fünf Regierungsjahren etwas vorschnell zu Ende gegangen, was sie bis heute nicht so richtig abschließen konnten, eine offene Wunde. Laschet nennt es ein "Gottesgeschenk", nun gegen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Wahlkampf machen zu können.

Sollte NRW bald wählen, muss Röttgen es schaffen, in die Offensive zu kommen. Dann wird er wohl wieder über Nachhaltigkeit räsonieren, in Sachen Umwelt, Haushalt, Straßenbau, Bahnverkehr, bei Kommunalfinanzen. Er wird für 60 Tage Wahlkampf in die Provinz einfliegen und vielleicht noch ein paar Mal unter Tage fahren. Danach wird man wissen, wie es um die Nachhaltigkeit von Norbert Röttgen bestellt ist.

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