Süddeutsche Zeitung

Umweltminister lästert über Westerwelle:Für Röttgen nicht zu sprechen

Unvorteilhaftes Gerangel: Der Bundesumweltminister hat öffentlich über FDP-Chef Westerwelle hergezogen. Die Kanzlerin ist verärgert, der Außenminister sowieso. Nun herrscht Funkstille.

Nico Fried und Claus Hulverscheidt

Außenminister Guido Westerwelle war am Donnerstag in London. Dort traf er seinen britischen Kollegen William Hague und äußerte sich anschließend unter anderem über den Nahen Osten und die Friedensgespräche in Washington.

Zu diesem Zeitpunkt versuchte von Deutschland aus der christdemokratische Umweltminister Norbert Röttgen schon seit mehr als 24 Stunden, den Kabinettskollegen ans Telefon zu kriegen. Röttgen wollte sich bei Westerwelle entschuldigen. Doch der Vizekanzler von der FDP war für ihn nicht zu sprechen.

Der Ärger begann am Mittwochvormittag, als die ersten Exemplare der Zeitschrift Stern im Regierungsviertel verteilt wurden. Darin fand sich eine Geschichte über Norbert Röttgen, der dieser Tage für Journalisten von besonderem Interesse ist, weil er nicht nur als Umweltminister über den Atomausstieg verhandelt, sondern sich auch um den Vorsitz der nordrhein-westfälischen CDU bewirbt.

In dem Porträt schildert der Autor eine Begegnung Röttgens mit einem älteren Herrn auf einem CDU-Fest in Meckenheim bei Bonn. Der ältere Herr beschwert sich über Westerwelle und fordert, man müsse ihn mehr "an die Kandare nehmen". Röttgen antwortet: "Im Grunde haben Sie recht. Die FDP liegt ja nicht zufällig bei vier Prozent. Ich halte den Westerwelle für irreparabel beschädigt."

Die Äußerung wird im Auswärtigen Amt zur Kenntnis genommen. Und im Kanzleramt. Dem Vernehmen nach telefonieren Angel Merkel und Guido Westerwelle darüber. Die Kanzlerin ist verärgert, der Außenminister sowieso. Beide wollen sich aber offiziell nicht äußern, um den Schaden für die Koalition nicht noch größer werden zu lassen. Erst am Montag war Röttgen schon am letzten unvorteilhaften Gerangel beteiligt gewesen, als er und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Experten-Gutachten zur Energiepolitik in einer gemeinsamen Pressekonferenz mehr oder weniger gegensätzlich interpretierten.

Auf das verheerende mediale Echo reagierte Merkel einen Tag später mit einem Auftritt vor Fernsehkameras, in dem sie sich demonstrativ optimistisch zeigte, das man bald eine Lösung der Energie-Frage finden werde. Seit der Sommerpause soll ja gerade Schluss sein mit dem ewigen Gestänker übereinander, das die ersten Monate der schwarz-gelben Regierung überlagert hatte. In Regierungskreisen heißt es am Donnerstag, Röttgens Worte über Westerwelle seien "genau die Art von Äußerung, von der Merkel gehofft hat, sie nach der Sommerpause von führenden Mitgliedern der Koalition nicht mehr hören zu müssen".

Fehler erkannt

Merkel spricht auch mit Röttgen. Jedenfalls heißt es aus dem Kanzleramt, der Minister habe seinen Fehler erkannt und wolle sich beim Vizekanzler persönlich entschuldigen. Das aber ist nicht so einfach. Denn Westerwelle wartet erkennbar zunächst eine öffentliche Entschuldigung des Kollegen ab, bevor er mit ihm selbst zu sprechen bereit ist. Der Vizekanzler will nicht hinnehmen, dass man sich in der Öffentlichkeit despektierlich über ihn äußert, das Bedauern aber nur intern zum Ausdruck bringt.

Dem Wunsch Westerwelles kommt Röttgen am Donnerstagnachmittag nach. Eine Sprecherin des Umweltministers sagt der Süddeutschen Zeitung, Röttgen bedauere "aufs Äußerste, sollte der Eindruck einer Kritik entstanden sein". Das Zitat bestreitet sie nicht. Es habe sich aber "um ein privates Gespräch am Rande einer Veranstaltung" gehandelt. Röttgen wolle auch weiter eine "vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit".

Der Ärger kommt für Röttgen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Er hat sich in den Energie-Verhandlungen als Befürworter eines zügigen Ausstiegs aus der Atomkraft profiliert, gerade auch gegen anderslautende Forderungen aus der FDP. Ohnehin gilt er als ein Christdemokrat, der sich Koalitionen mit den Grünen genauso gut vorstellen kann wie mit der FDP. All dies und nun auch noch die Äußerung über Westerwelle dürften die Konzessionsbereitschaft der Liberalen nicht vergrößern.

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Quelle:
SZ vom 03.09.2010/pfau
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