Umwelt-Konferenz:Das Meer am Mekong

Provinz Kien Giang

Gefährdetes Idyll: Am Mekong-Fluss leben die Menschen vom Reisanbau, doch die Veränderung der Natur macht ihnen Sorgen. Die Reispflanzen sind vom Salzwasser des sich nähernden Meeres bedroht. Viele Vietnamesen flüchten vor Flut und Stürmen in die Städte.

(Foto: Thomas Imo/photothek.net)

Vietnam leidet unter dem Klimawandel, die Bundesregierung schickt deshalb Hilfe. Doch eine neue Umweltpolitik ist mit dem autoritären Regime nicht leicht umzusetzen.

Von Kristiana Ludwig, Vinh Hung

In der Gegend, in der Luong Thi Thuy geboren wurde und irgendwann auch sterben möchte, gibt es für viele Menschen nur eine existenzielle Entscheidung: Reis oder Garnelen, also: süß oder salzig? Luong Thi Thuy lebt im vietnamesischen Mekongdelta und sie hat sich für den Reisanbau entschieden, für die Süßwasserpflanze. Sie fürchtet das Salz.

Hier, wo sich der Fluss Mekong in ein weitläufiges Netz aus Flüssen und Kanälen teilt, bevor er ins Meer mündet, leben die Leute im Wasser und vom Wasser. Fast jede Wellblechhütte hat einen Zugang zum Fluss oder steht darin auf Stelzen. Die Region wirft so viel Reis ab, dass sich 245 Millionen Menschen davon ernähren können. Vietnam ist der zweitgrößte Reisexporteur der Welt. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Natur im Mekongdelta verändert, vor allem das Meer macht den Leuten Sorgen. Es kommt immer näher, und die Reispflanzen vertragen das Salzwasser nicht.

In den vergangenen 50 Jahren ist der Meeresspiegel bereits um 20 Zentimeter angestiegen. Es gibt unterschiedliche Prognosen darüber, wie viel Land in 30 Jahren überflutet sein wird, doch jede von ihnen klingt düster. Außerdem wüten schon jetzt Stürme an Orten, an denen die Häuser bislang nie gegen sie gerüstet werden mussten. Die Dürren werden länger, und es regnet, wenn es nicht regnen sollte. Der Klimawandel hat in Vietnam längst begonnen.

Reisbauern ziehen wegen des Klimawandels in die Großstädte

Luong Thi Thuy schätzt, dass ein Drittel der Leute, die hier als Reisbauern gearbeitet haben, nun in die großen Städte ziehen, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Auch ihr Sohn wolle mit seinen 21 Jahren lieber Polizist werden als Erntehelfer. Luong Thi Thuy ist 40 Jahre alt, eine rosafarbene Spange hält ihr Haar zusammen, ihre Fußnägel hat sie violett lackiert. Sie läuft barfuß auf den Trampelpfaden zwischen den Feldern. Mit einer guten Ernte verdienen sie und ihr Mann etwas mehr als 600 Euro. Wie die meisten Bauern ernten sie hier mittlerweile drei Mal im Jahr. Das sichert ihr Einkommen, einerseits. Andererseits trägt eine so intensive Landwirtschaft im Mekongdelta dazu bei, dass das Land dem Meer entgegen sinkt. Man könnte auch sagen, sie beschleunigt den Wandel.

Deutsche Entwicklungshelfer von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben Luong Thi Thuy und ihren Nachbarn deswegen Gerätschaften mitgebracht, mit denen sie die Felder wassersparender bestellen können. An diesem Vormittag im November bekommt sie sogar etwas Bargeld von den Deutschen, damit sie den eigens eingeflogenen Journalisten von der Bedrohung ihrer Ernte berichtet. Für die Bundesregierung stehen in Vietnam nämlich Umwelt und Energie ganz oben auf der Agenda. Zumal das Klima die Region gleich doppelt betrifft: als Leidtragende und als Teil des Problems.

Während die Vietnamesen an den Küsten zunehmend vor Flut und Stürmen fliehen und in den Städten unter Hitze und Smog leiden, setzt die Kommunistische Partei an der Regierung für die Zukunft auf Kohle. Im Jahr 2030 will Vietnam doppelt so viel Strom produzieren wie heute - und gut zwei Drittel der Energie sollen aus neuen Kohlekraftwerken stammen oder aus Erdöl. Vietnam ist ein Schwellenland mit rasantem Wirtschaftswachstum.

Die Kommunistische Partei setzt für die Zukunft auf Kohle. Sie fördert Strom aus Kraftwerken

Die Fördergelder, die Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) über die GIZ-Büros nach Vietnam schicken, beruhen auch auf einem Versprechen: Die vietnamesische Regierung hat beteuert, sich um ihre Klimapolitik zu kümmern. Mittlerweile sind viele gute Pläne entstanden, beispielsweise der Ausbau von erneuerbaren Energien und öffentlichen Verkehrsmitteln, Aufforstung, Mülltrennung und nicht zuletzt Katastrophenprävention für die bedrohte Bevölkerung. Vietnam ist eine Sozialistische Republik, Planung ist hier nicht das Problem. Allein freie Presse und Zivilgesellschaft fehlen, die kontrollieren könnten, ob die Regierung ihre Zusagen auch umsetzt.

Obwohl Vietnams Bevölkerung so unmittelbar mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert ist, sind Umweltproteste kaum möglich. Als vor drei Jahren ein Stahlwerk der taiwanesischen Formosa Plastics Group Giftschlamm ins Meer leitete und damit Hunderte Tonnen Fisch tötete, schlugen die Behörden die Demonstrationen brutal nieder. Amnesty International sprach von "unnötiger und exzessiver Gewalt", um "friedliche Zusammenkünfte und Proteste aufzulösen und zu verhindern". Umweltaktivisten wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

Selbst wenn deutsche Entwicklungshelfer mit der Regierung über das Klima sprechen, müssen sie doch auf deren guten Willen hoffen, dem Volk diese Gefahren auch mitzuteilen. Die GIZ-Umweltexpertin Anna Pia Schreyoegg formuliert es so: "Die Regierung ist sehr darauf bedacht, keine Unsicherheit bei den Bürgern zu stiften." Die Bäuerin Luong Thi Thuy sagt, sie wisse nicht viel über den Klimawandel. Sie hoffe aber, dass die Behörden sie beraten, wenn das Meer kommt. Zum Beispiel, wie sie Garnelen züchten kann, wenn es mit dem Reisanbau nicht mehr klappt - im Salzwasser.

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