Umwelt:Dicke Luft am Oxford Circus

Nicht nur wegen des verzögerten U-Bahn-Baus stockt Londons Kampf gegen Verkehrsabgase.

Von Björn Finke 

Es ist eines der größten Bauvorhaben Europas - und verspätet. London bekommt eine neue U-Bahnlinie, von den Vororten im Westen quer durch die Stadt zu den Vororten im Osten. Umgerechnet 16,5 Milliarden Euro kostet dieses Projekt "Crossrail". Ende des Jahres sollte der wichtigste Abschnitt im Zentrum eröffnen. Zu Ehren der Königin soll er Elizabeth Line heißen. Doch das Crossrail-Management musste nun einräumen, dass diese U-Bahnlinie Ihrer Majestät nicht vor Herbst 2019 fertig sein wird - technische Probleme.

Das ist immerhin nicht ganz so verzögert wie der Flughafen Berlin-Brandenburg, aber für die Verkehrsbehörde Transport for London (TfL) ein schwerer Schlag. Sie hatte die Einnahmen aus der neuen Linie fest eingeplant. TfL betreibt die Busse und Bahnen der Stadt und macht dabei Verluste. Zugleich ist es ein Rückschlag für Bürgermeister Sadiq Khan. Der seit 2016 amtierende Sozialdemokrat hat Dauerstau und dreckiger Luft in der Metropole mit 8,8 Millionen Einwohnern den Kampf angesagt. Khan will mehr Busspuren und Fahrradwege bauen, aber das mit Abstand größte Nahverkehrsprojekt ist eben die Elizabeth Line.

Khan, er ist selbst Asthmatiker, bezeichnet die "tödliche Luft" der Hauptstadt als eine der härtesten "Herausforderungen unserer Generation". London reißt regelmäßig die EU-Grenzwerte für Stickoxide. Forscher schätzen, dass die miese Luft jedes Jahr zu gut 9000 Todesfällen in London beiträgt. An der Kreuzung Oxford Circus, auf der bei Touristen beliebten Einkaufshölle Oxford Street, wurden schon schlimmere Stickoxid-Werte gemessen als in der Smog-Kapitale Peking. Schuld sind die Dieselfahrzeuge, die sich durch verstopfte Straßen quälen.

Die Crossrail-Verspätung ist schon die zweite Niederlage binnen Wochen. Khan versprach im Wahlkampf, die Oxford Street, Europas belebteste Shoppingmeile, in eine Fußgängerzone zu verwandeln. Dort inhalieren jetzt Passanten, die sich in Massen aneinander vorbeischieben, die Abgase aus im Dauerstau kriechenden Doppelstock-Bussen und Taxen. Aber die Bezirksvertretung, die von den Konservativen beherrscht wird, verwarf die Pläne im Sommer. Khan nennt das "Verrat an Millionen Londonern".

Immerhin blasen auf der Oxford Street und anderswo immer mehr Taxen kein Gift mehr aus dem Auspuff. Denn seit Januar lässt die Stadtverwaltung nur Taxen neu zu, die 48 Kilometer am Stück ohne Abgase fahren können. Der Hersteller der berühmten Black Cabs, der meist schwarzen Londoner Droschken, brachte daher ein Hybridmodell auf den Markt, also ein Auto mit Benzin- und Elektromotor: Die Black Cabs sind nun grün.

Außerdem führte die Verwaltung vor einem Jahr die etwas drastisch benannte "Toxicity Charge" ein, die Giftstadtgebühr. Autofahrer müssen ohnehin seit 2003 umgerechnet 13 Euro pro Tag Citymaut zahlen, wenn sie werktags in die Innenstadt fahren. Genügt der Wagen nicht modernen Abgasnormen, sind jetzt zusätzlich elf Euro Giftgebühr fällig. Khan will die Gebühr 2019 erhöhen und später die Zone deutlich ausweiten, in der die Strafe gezahlt werden muss. Statt nur das Zentrum soll ein großer Teil der Metropole erfasst werden: London sagt den Stinkern goodbye.

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