Umwelt:Australien leugnet den Klimawandel - und leidet

Dürre in Australien

Australien leidet zunehmend unter Dürren

(Foto: Getty Images)
  • Australien leidet unter dem Klimawandel, trotzdem gibt es hier mehr Klimaskeptiker als in den USA.
  • Bislang war Klimapolitik der konservativen Regierung nicht sehr wichtig. Die Klimaziele, die Australien zum Klimagipfel in Paris mitbringt, sind bescheiden.
  • Langsam wächst in der Bevölkerung aber das Bewusstsein für die Risiken des Klimawandel.

Von Ruth Eisenreich

Das Land leidet unter Dürren und Waldbränden, eines seiner wichtigsten Touristenattraktionen - das Great Barrier Reef - ist in Gefahr, und in vielen Gegenden ist es bei Strafen von mehreren hundert Euro verboten, untertags den Rasen zu gießen. Das alles hängt offenbar mit der Erderwärmung zusammen. Man könnte meinen, Australien würde deshalb beim Kampf gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel an vorderster Front stehen.

Aber nichts dergleichen: Das Land ist einer der größten Kohleproduzenten und -exporteure der Welt, sein CO₂-Ausstoß pro Kopf gehört weltweit zu den höchsten. Und die Klimaziele, die Australien zur Klimakonferenz in Paris mitbringt, sind im internationalen Vergleich äußerst niedrig.

Bis 2030 will die konservative Regierung den Treibhausgas-Ausstoß um 26 bis 28 Prozent gegenüber 2005 senken, diese Zahl hat der damalige Premierminister Tony Abbott im August präsentiert. Der australischen Klimawandelbehörde zufolge, die eine viel radikalere Senkung fordert, liegt Deutschlands Klimaziel auf den selben Zeitraum umgerechnet bei 45 Prozent, sogar die USA sind mit 35 bis 39 Prozent ambitionierter als Australien.

Nirgends mehr Klimawandel-Skeptiker als in Australien

Überraschend kam Abbotts geringer Ehrgeiz nicht: Kurz bevor der er 2009 Chef der konservativen Liberal Party und damit Oppositionsführer wurde, hatte Abbott die wissenschaftlichen Argumente für den Klimawandel als "crap" (Schrott) bezeichnet. Als die damalige Labor-Regierung ein Emissionshandelssystem (ETS) diskutierte, das schließlich 2012 in Kraft trat, schürte Abbott die Angst, das Gesetz werde Australiens Wirtschaft zerstören. Die Parlamentswahlen 2013 stilisierte er zur Volksabstimmung über das ETS, das er konsequent als "Steuer" bezeichnete.

Einer Studie der Universität von Tasmanien zufolge, die auf Umfragen in 14 Industrieländern in den Jahren 2010 und 2011 beruhte, gab es damals nirgends mehr Klimawandel-Skeptiker als in Australien. 17 Prozent der befragten Australier gaben an, der Klimawandel existiere nicht; in Deutschland waren es vier, in den USA zwölf Prozent. Im Jahr 2012 unterstützten dem Think Tank Climate Institute zufolge nur 28 Prozent das ETS, 52 Prozent waren explizit dagegen.

Abbotts Strategie ging offenbar auf: Bei den Parlamentswahlen 2013 eroberte sein Parteienbündnis 90 von 150 Sitzen, Labor gewann nur 55 Sitze. Kaum war Abbott im Amt, schaffte er das ETS wieder ab. Als Ersatz führte er ein System ein, das er "Direct Action" nannte. Im Wesentlichen bietet es Luftverschmutzern Steuergeld dafür, dass sie die Luft weniger verschmutzen. Auch sonst zeichnete sich Abbotts Regierung durch Desinteresse an Umweltpolitik aus: Internationalen Konferenzen zum Thema blieb sie fern, die Zielvorgabe für Erneuerbare Energien senkte sie, die Klimawandelbehörde wollte sie per Gesetz abschaffen. Dafür plante sie laut Medienberichten, einen "Windfarm-Beauftragten" zu ernennen, der Beschwerden über Lärm und gesundheitliche Schäden durch Windräder entgegennehmen solle.

Eine Windfarm in den Hügeln um Lake George

Eine Windfarm in den Hügeln um Lake George in der Nähe von Canberra. Erneuerbare Energien sind der australischen Regierung nicht besonders wichtig.

(Foto: REUTERS)

Dabei wird Australien mit seinem extremen Klima unter der globalen Erwärmung besonders leiden. Im Zentrum und im Norden des Landes hat es an einem durchschnittlichen Sommertag über 35 Grad, oft auch über 40. Fast alle Australier wohnen an der Ost- und der Südostküste, wo moderatere Temperaturen herrschen; in Zukunft rechnen Behörden dort aber mit heißerem Wetter, weniger Regen (der öfter in Form von Unwettern fallen wird), noch mehr Buschfeuern und einem deutlich höheren Meeresspiegel. Die Korallen des Great Barrier Reefs sind gefährdet, weil das Meer wärmer und saurer wird.

Ohne drastische Maßnahmen werde Australiens Durchschnittstemperatur bis 2090 um bis zu fünf Grad steigen, hieß es im Sommer in einer Prognose. Die australische Akademie der Wissenschaften rechnet mit Ernteausfällen, Fischsterben, Krankheiten und Konflikten um Wasser. Die Lebensgrundlage von Bauern und Fischern sei gefährdet, die Tourismusbranche wird schweren Schaden erleiden. Die Zahl der Menschen, die durch Hitzewellen sterben, werde sich in den nächsten 40 Jahren verdoppeln.

Die Ärztin Sallie Forrest schreibt in einem Kommentar für die öffentlich rechtliche ABC, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels seien bereits spürbar: Mehr Herzinfarkte bei Erwachsenen, mehr Asthma bei Kindern. 1500 Tote durch Luftverschmutzung gebe es jährlich schon, mehr als durch Verkehrsunfälle, schreibt Forrest.

Abbotts Politik hatte wohl zum Einen mit Wirtschaftszahlen zu tun. Australien erzeugt etwa 70 Prozent seines Stroms aus Kohle; dem Australischen Statistikamt zufolge kommen 8,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem Bergbau und der Förderung von Erdöl und Erdgas (in Deutschland ist es weniger als ein Prozent). Zum Anderen ist Australien, das de facto ein Zweiparteiensystem hat, beim Thema Umwelt entlang der Parteigrenzen gespalten, die Positionen sind festgefahren. Dass der konservative Premier Abbott beim Thema Windräder "rot" sah, liegt dem Politologen Peter Chen von der Universität von Sydney zufolge daran, dass diese die politische Linke verkörperten.

Die Stimmung ändert sich

Aber die Menschen in Australien sind immer mehr bereit, auf die Forscher zu hören. "Die meisten Australier zweifeln gar nicht am Klimawandel, und sie befürworten den Ausbau erneuerbarer Energien", sagt der Umweltsoziologe Stewart Lockie von der James Cook University in Cairns. Abbotts Kampagne gegen das ETS habe aber viel Verwirrung über die verschiedenen Maßnahmen und ihre Kosten gesät.

Nicht Skepsis am Klimawandel habe zu Abbotts Wahlsieg geführt, sagt Lockie, sondern eher zwei andere Faktoren: Abbott konnte viele Menschen davon überzeugen, dass die damalige Premierministerin Julia Gillard mit der Einführung des ETS ein Wahlkampfversprechen gebrochen habe - und er schürte erfolgreich die Angst davor, dass das ETS die Lebenshaltungskosten steigern werde. Inzwischen, sagt Lockie, fänden aber viele Wähler, dass Abbott zu weit gegangen sei.

Demonstration in Sydney für mehr Klimaschutz

Proteste in Sydney 2013 gegen die Klimapolitik der Regierung

(Foto: Getty Images)

Einer Umfrage des Think Tanks Lowy Institute zufolge sahen im Sommer exakt die Hälfte der Australier die Erderwärmung als "drängendes Problem, gegen das wir jetzt vorgehen sollten, auch wenn das mit hohen Kosten verbunden ist"; im Jahr 2012 waren es nur 36 Prozent. Fast zwei Drittel wünschen sich, dass Australien bei den Klimazielen eine Vorreiterrolle einnimmt. Und der Klimawandelpolitik der Abbott-Regierung gaben die Befragten auf einer Skala von 1 bis 10 durchschnittlich nur vier Punkte.

Es passt zu diesem Stimmungswandel, dass Abbott Mitte September ausgerechnet von einem Mann gestürzt wurde, der beim Thema Klimawandel das ganz andere Ende des Spektrums verkörperte. Malcolm Turnbull, der neue Premier, unterstützte schon vor Jahren das ETS - genau deswegen hatte er 2009 in einer Kampfabstimmung den Parteivorsitz der Liberal Party an Abbott verloren. Nun holte er ihn sich zurück, und das Amt des Premierministers gleich dazu.

Great Barrier Reef

Das Great Barrier Reef ist i Gefahr - auch aufgrund der Erderwärmung

(Foto: AFP/Katharina Fabricius/Australian Institute of Marine Science)

Allerdings erklärte er bald, er werde Abbotts Klimapolitik beibehalten, das "Direct Action"-System ebenso wie das im Sommer verkündete Klimaziel von 26 bis 28 Prozent, das er in einer Rede nun "sehr substantiell" nannte. Beobachter vermuten, Turnbull habe sich damit die Unterstützung eines Teils seiner Parteifreunde für seine Wahl zum Parteichef erkauft. Nun muss er als Premierminister irgendwie die Balance finden zwischen seinen früheren Aussagen und seinen neuen Versprechen. Zu denen nun auch die Ankündigung auf der Klimakonferenz in Paris gehört, das Land würde eine Kehrtwende vollziehen.

So oder so, schreibt der auf den Klimawandel spezialisierte Politikberater Nick Rowley im Portal The Conversation: Für alle, die auch nur einigermaßen an den Klimawandel glaubten, sei Abbotts Abwahl allein schon Grund genug für einen "kollektiven Seufzer der Erleichterung" gewesen.

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