Umsturz in Libyen:Nato-Kampfjets bombardieren Gaddafi-Hochburg

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Die libyschen Rebellen rücken in die letzten Bastionen Gaddafis vor. Doch die Offensive um die Wüstenstadt Bani Walid droht zu einem endlos-erbitterten Kampf zu werden. Die Anhänger des Despoten beschießen die vorrückenden Kämpfer mit Raketen. Jetzt greift die Nato in die Gefechte ein.

Bis zur Nacht auf diesen Samstag haben die libyschen Rebellen den letzten Gaddafi-Hochburgen für die Kapitulation gegeben - das Ultimatum ist abgelaufen. Nun haben die Kämpfer der neuen libyschen Führung den Befehl erhalten, die letzten Bastionen des Diktators zu stürmen. Das berichtet der amerikanische Sender CNN und beruft sich dabei auf einen militärischen Befehlshaber.

Kämpfer der neuen libyschen Führung bringen sich vor der Wüstenstadt Bani Walid in Stellung - doch sie stoßen bei den Anhängern Gaddafis in der Stadt auf erbitterten Widerstand. (Foto: AFP)

Insbesondere der Konflikt um die Wüstenstadt Bani Walid droht, zu einem erbitterten Kampf zu werden. Bereits am Vortag war es rund um Bani Walid zu Kämpfen gekommen. Stoßtrupps der Aufständischen, die in die Wüstenstadt Bani Walid einzudringen versuchten, mussten sich nach Verlusten wieder zurückziehen. Das berichtete ein BBC-Korrespondent aus dem Frontgebiet. CNN berichtet, nach Angaben der libyschen Rebellen seien sie von Gaddafi-Getreuen am Freitag angegriffen worden, Stunden bevor das Ultimatum ausgelaufen sei.

Statt der erwarteten 150 Gaddafi-Getreuen würden 1000 Kämpfer die Wüstenstadt verteidigen und die vorrückenden Rebellen mit Raketen beschießen. Bereits in die Stadt eingerückte Kämpfer berichteten, Gaddafi-Getreue hätten sich mit Raketenwerfern in Wohnhäusern verschanzt. Nun soll die Nato mit Kampfflugzeugen Angriffe auf die Gaddafi-Hochburg fliegen: Das Militärbündnis habe mindestens fünf Luftangriffe geflogen, schwere Explosionen seien zu hören gewesen, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters aus einem Vorort von Bani Walid. Die Nato hat in Libyen vom UN-Sicherheitsrat den Auftrag, Zivilisten zu schützen.

Bereits am Freitag hatte die Nato ihre Angriffe auf Positionen der Gaddafi-Loyalisten in Bani Walid und anderen Orten fortgesetzt. Es seien 40 Kampfeinsätze geflogen worden. Bei Sirte seien eine Raketenrampe, ein Raketenwerfer und ein Militärfahrzeug zerstört worden, andernorts Raketenwerfer, Militärfahrzeuge und ein Kommandozentrum.

Schon in der Nacht zuvor hatten sich die Aufständischen heftige Gefechte mit den Gaddafi-Getreuen in Bani Walid geliefert. Dabei waren sie bis auf zwei Kilometer an das Stadtzentrum vorgerückt. Es seien außerdem mehr Gaddafi-Kräfte in der Stadt als ursprünglich erwartet, sagte der BBC-Reporter. Die bisherigen Kampfhandlungen der Rebellen wurden allerdings von Voraus-Kommandos ausgeführt.

Einen Angriffsbefehl für Hunderte Aufständische, die vor Bani Walid zusammengezogen wurden, gab es bislang nicht. Gekämpft wurde am Freitagabend östlich der Küstenstadt Sirte, berichtete der US-Sender CNN unter Berufung auf Angaben des Übergangsrats. Rebelleneinheiten seien bei ihrem Vormarsch rund 55 Kilometer vor der Stadt auf Gegenwehr der Gaddafi-Anhänger gestoßen. Bei dem Gefecht sei auch schwere Artillerie eingesetzt worden. Derzeit sind außer Bani Walid und Gaddafis Geburtsstadt Sirte noch zwei Städte in der Hand Gaddafi-treuer Kämpfer - die Wüstenoase Dschufra und die Garnisonsstadt Sebha.

Niger könnte Asyl für Gaddafi-Getreue ablehnen

Angesichts des Vormarschs der Kämpfer der neuen libyschen Führung setzen sich immer mehr führende Offiziere des alten Regimes ins Nachbarland Niger ab. In der Nacht auf Freitag hätten der Stabschef der libyschen Luftwaffe und sein Pilot Niger erreicht, sagte der nigrische Justizminister Amadou Morou. Außerdem seien die Kommandeure zweier libyscher Militärbezirke sowie sechs Zivilpersonen in dem Land eingetroffen.

Berichte örtlicher Medien legten nahe, dass es sich bei einem der Offiziere um General Ali Kana handeln könnte. Der Tuareg galt als enger Vertrauter Gaddafis. Kana habe "gemeinsam mit schwer bewaffneten Truppen" die Grenze zum Niger überschritten, berichtete der Africa Intelligence Newsletter.

Zuvor hatte der libysche Botschafter in Niger die Regierung seines Gastlandes aufgefordert, die Grenzen für Gaddafi-Anhänger zu schließen. Der Nationale Übergangsrat werde in der kommenden Woche eine Delegation entsenden, um "die nigrische Regierung davon zu überzeugen, ehemaligen Angehörigen des Gaddafi-Regimes kein politisches Asyl zu gewähren", sagte Suleiman Ahmed Mohammed Mussa der Nachrichtenagentur AP.

Am vergangenen Dienstag war bereits Gaddafis ehemaliger Sicherheitschef Mansur Dao gemeinsam mit mindestens zwölf Begleitern in Niger eingetroffen. Botschafter Mussa hielt es auch für möglich, dass Gaddafi nach Niger fliegen könnte. "Laut unseren Informationen war Gaddafi gestern noch in Libyen", sagte Mussa. "Aber er verfügt über viele Kontakte im Tschad und in Niger. Er könnte also versuchen, in eines dieser Länder zu kommen."

In der Öffentlichkeit wurde Gaddafi schon seit einigen Monaten nicht mehr gesehen. In Audio-Botschaften gab er sich immer wieder kämpferisch hatte er seine Anhänger zuletzt aber immer wieder aufgerufen, den Kampf fortzusetzen.

Demonstration gegen neue Führung in Bengasi

Während die Kämpfe um die letzten Gaddafi-Hochburgen Andauern, kam es in der ostlibyschen Stadt Bengasi, wo die Revolte gegen Gaddafi am 17. Februar begann, zu Protesten gegen die neue libysche Führung: Mehrere hundert Menschen demonstrierten gegen angebliche "Opportunisten" und "Wendehälse" im regierenden Übergangsrat. Das Gremium müsse sich von Mitgliedern trennen, die noch bis kurz vor Ausbruch des Volksaufstandes dem alten Regime gedient hatten, verlangten die Demonstranten, wie der Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete.

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