Umstrittener Schmähfilm in Deutschland:Warum ein Verbot des Mohammed-Films kaum Chancen hat

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Eine "geschmacklose Dämlichkeit" sieht Grünen-Politiker Beck in dem Islam-Schmähfilm "Innocence of Muslims". Innenminister Friedrich will das Video gar verbieten lassen. Doch ist das juristisch überhaupt möglich? Dürfen Rechtspopulisten den Film öffentlich zeigen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Oliver Klasen und Matthias Kohlmaier

Ein Video geht um die Welt: Im November will die rechtspopulistische Gruppierung "Pro Deutschland" den Schmähfilm über den Propheten Mohammed in Deutschland zeigen - in einem Berliner Kino. Ausschnitte des Films, in dem Mohammed als Schürzenjäger, Kinderschänder und Feigling verunglimpft wird, hatten sich bereits in der vergangen Woche über das Internet verbreitet. Die Folge waren massive Proteste und Demonstrationen im Nahen Osten sowie in Nordafrika. In Sudan wurde am vergangenen Freitag die deutsche Botschaft von Demonstranten gestürmt und in Brand gesetzt, in Libyen war drei Tage zuvor der amerikanische Botschafter bei einem Angriff auf die US-Vertretung in Bengasi ums Leben gekommen. Süddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen rund um ein eventuelles Verbot des Schmähvideos.

Ein Teilnehmer einer Kundgebung von "Pro Deutschland". Die rechtspopulistische Gruppierung will den Schmähfilm über den Propheten Mohammed im November in Berlin öffentlich zeigen (Archivbild von 18.8.2012). (Foto: dapd)

Kann das Video oder dessen Aufführung in Deutschland verboten werden?

Ein Verbot des Films ist nur schwer durchsetzbar, denn vermutlich ist das Werk durch die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt. Diese Freiheiten könnten nur dann eingeschränkt werden, wenn der Film gegen ein in Deutschland gültiges Gesetz verstoßen, jugendgefährdende Inhalte enthalten oder die persönliche Ehre einer Person verletzen würde.

Denkbar wäre ein Verbot oder Aufführungsverbot nach Paragraph 166 Strafgesetzbuch, der die Beschimpfung von Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen verbietet. Im Gesetz heißt es wörtlich: "Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (...) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, [deren] Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Würde der Film verboten, wäre eine öffentliche Vorführung nach dem Gesetz dem Verbreiten von Schriften gleichgestellt. Möglicherweise ließe sich rechtlich auch begründen, dass der Film eine Beschimpfung des Islam darstellt. Äußerst strittig ist allerdings, ob der Film und seine öffentliche Aufführung tatsächlich den öffentlichen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland stören würden. Dies wäre die Bedingung, um die Veranstaltung von "Pro Deutschland" zu verbieten.

Wie ist die Situation in anderen Ländern?

In Indonesien und Indien ist der umstrittene Film auf Youtube nicht verfügbar, in Malaysia kann zumindest der Trailer nicht abgerufen werden. Der Mutterkonzern Google, zu dem das Videoportal gehört, hat die entsprechenden Clips in diesen Ländern blockiert. Die Regierungen der drei Länder hätten am Wochenende darum gebeten, weil der Film einen Verstoß gegen die jeweiligen Landesgesetze darstelle, heißt es von Seiten des Unternehmens. Es sei übliche Praxis, Videoclips zu überprüfen, wenn Privatpersonen diese als unangemessen meldeten oder wenn Behörden darin Gesetzesverstöße erkennen würden.

In Ägypten und Libyen hatte Google dagegen von sich aus reagiert. Wegen der Ausschreitungen rund um westliche Botschaften kann der Mohammed-Film in diesen beiden Ländern ebenfalls nicht abgerufen werden. Wie die New York Times schreibt, habe sich Google wegen der "außergewöhnlichen Umstände" für eine temporäre Blockade entschieden. Die Situation in anderen muslimisch geprägten Ländern werde der Konzern "aufmerksam beobachten".

Die US-Regierung hatte zuvor bei Google die Möglichkeit einer generellen, also weltweiten Sperrung ausgelotet. Dabei hatte sich sogar das Weiße Haus direkt eingeschaltet, was in einem solchen Fall als extrem ungewöhnlich gilt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, das im ersten Zusatzartikel der US-Verfassung festgeschrieben ist, gilt in der politischen Kultur der USA als höchstes Gut, das unter keinen Umständen angetastet werden darf.

Google hatte die Anfrage der Regierung jedoch abgelehnt, mit der Begründung, dass das Video im Einklang mit den Regeln des Konzerns stehe. Zwar verstießen volksverhetzende Inhalte gegen die Google-Richtlinien. Ein solcher Verstoß sei allerdings nur gegeben, wenn einzelne Menschen betroffen wären. Der umstrittene Mohammed-Film verunglimpfe dagegen den Islam als Ganzes.

Gibt es Präzedenzfälle in Deutschland, mit denen sich ein Verbot begründen ließe?

"Pro Deutschland" hatte im August in Berlin Demonstrationen vor mehreren Moscheen veranstaltet, bei denen auch umstrittene Mohammed-Karikaturen gezeigt wurden. Damals hatte das Verwaltungsgericht Berlin die Beschwerde dreier islamischer Moschee-Vereine gegen die Kundgebung abgewiesen. Mit dem Zeigen der Karikaturen alleine werde nicht zum Hass oder zur Gewalt gegen Muslime aufgerufen, meinten die Richter zur Begründung. Auch die öffentliche Sicherheit sei dadurch nicht gefährdet.

Ob die Richter im Falle des Mohammed-Film anders entscheiden, ist fraglich. Da "Pro Deutschland" angekündigt hat, Innocence of Muslims im November in Berlin aufführen zu wollen, wäre wiederum das dortige Verwaltungsgericht zuständig.

Was sagt die Regierung zu einem möglichen Verbot, was die Opposition?

Ausnahmsweise herrscht in Regierung und Opposition in einem Punkt Einigkeit. Vertreter beider Lager kritisierten den Film, oder besser gesagt die bis dato veröffentlichten Ausschnitte. Grünen-Geschäftsführer Volker Beck bezeichnete ihn als "geschmacklose Dämlichkeit", laut Innenminister Hans-Peter Friedrich reiht sich der Film "ein in eine ganze Serie von Geschmacklosigkeiten und Missachtungen von religiösen Gefühlen".

Was ein mögliches Verbot der Vorführung des Machwerks in Deutschland betrifft, herrscht jedoch Zwietracht. Friedrich will "mit allen rechtlich zulässigen Mitteln" verhindern, dass der Film gezeigt wird. Außenminister Guido Westerwelle fordert sogar, mit "rechtsstaatlicher Härte" gegen die Verbreitung des Videos vorzugehen.

Jedoch ist die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz in Deutschland ein hohes Gut, ein generelles Verbot des Films dürfte kompliziert werden. So bescheinigt Grünen-Politiker Beck dem Film zwar besagte "Dämlichkeit", einen "strafbaren Inhalt" erkennt er allerdings nicht. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte der taz: "Eine bloße außenpolitische Rücksichtnahme reicht nicht aus, die Grundrechte zu beeinträchtigen." Verbote könnten nur das letzte Mittel sein.

Welche Institution wäre für ein Verbot zuständig?

Alle "rechtlich zulässigen Mittel" will der Bundesinnenminister aufbieten, um die Vorführung von Innocence of Muslims zu unterbinden. Aus Friedrichs Ministerium hieß es, das sei eine Aufforderung an Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die rechtlichen Möglichkeiten eines Verbots auszuloten. Das berichtet die SZ in ihrer Montagsausgabe. Weiter heißt es dort, das Justizministerium sei wenig begeistert über diesen Auftrag. Bei Fragen der Sicherheit bei öffentlichen Veranstaltungen seien die Innenbehörden der Länder zuständig. Bei einer geplanten Filmvorführung in Berlin wären das also die Behörden in der Hauptstadt.

Im Namen der Sicherheitsbehörden hat sich bereits Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Wort gemeldet. "Wir sind ein freies Land mit Meinungsfreiheit", sagte er den Ruhr Nachrichten. Sofern in dem Film keine Straftatbestände verwirklicht würden, sei eine Aufführung kaum zu verbieten. Ein solcher Straftatbestand, der ein Verbot rechtfertigen würde, ist in Deutschland beispielsweise die Leugnung des Holocaust.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte bezüglich der Zuständigkeit bei einem eventuellen Verbot zu dem Radiosender NDR Info: "Wir müssen alles daran setzen, dass wir trotzdem die öffentliche Ordnung in Deutschland aufrechterhalten und müssen dann im Einzelfall prüfen, wenn solche Veranstaltungen und Filmvorführungen geplant sind, ob wir dann über Gefahrenabwehr über das Polizeirecht so etwas verhindern."

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält es für denkbar, die öffentliche Aufführung in Deutschland zu untersagen. Die Behörden müssten prüfen, ob daraus erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit resultieren könnten, sagte Merkel in der Bundespressekonferenz. "Ich kann mir vorstellen, das es dafür gute Gründe gibt." Dies müsse jetzt juristisch untersucht werden.

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