Umstrittene Wahl in der Ostukraine:Gesang, Spiele und Propaganda

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Der russische Sänger Josef Kobson (re.) singt ein Duett mit Separatisten-Chef Alexander Sachartschenko. (Foto: REUTERS)

In der "Volksrepublik Donezk" wird erstmals gewählt. Dabei steht der Sieger aber schon fest. Einen echten Wahlkampf haben die prorussischen Separatisten nicht nötig.

Von Florian Hassel, Donezk

Wer die Sportschule Nr. 1 für Leichtathletik betritt, wird nicht lang im Zweifel darüber gelassen, dass es sich um eine Stätte mit ruhmreicher Vergangenheit handelt. Gleich am Eingang des Ziegelsteinbaus im Zentrum von Donezk klärt eine Infotafel Besucher auf, dass neben anderen ukrainischen Spitzensportlern auch der "Champion des Jahrhunderts" hier trainiert habe: Sergej Bubka, legendärer sowjetischer Stabhochspringer, Weltmeister und Olympiasieger.

Die Gegenwart allerdings sieht bescheidener aus. Wenige Tage, bevor prorussische Separatisten der "Volksrepublik Donezk" die Einwohner der größten Industriestadt der Ukraine am Sonntag zur Wahl eines eigenen Präsidenten und Volksrats aufrufen, organisieren die Rebellen ein "internationales Ringer-Turnier". Mit der Internationalität ist es freilich so eine Sache: Die 75 zumeist jugendlichen Ringer kommen vor allem aus der "Republik Krim", der "Volksrepublik Luhansk" und der "Volksrepublik Donezk" - also aus von Rebellen beherrschten oder von Moskau annektierten Teilen der Ukraine. Die einzigen Ausländer sind aus Russlands Grenzregion Rostow angereist.

Statt Siegermedaillen gibt es Granatsplitter

Freilich soll das Turnier ohnehin nicht dem Geist der Völkerverständigung dienen. "Die Sportler, die zu uns gekommen sind, beweisen, dass sie den richtigen Geist haben, um für ihre Heimat zu kämpfen", sagt Alexander Bogdanow, Chef des Kampfsportverbandes. Entsprechend bestehen die Teilnehmer- und Siegermedaillen nicht aus Gold, Silber oder Bronze, sondern aus Granatsplittern - und der große Siegerpokal für die Mannschaftswertung aus der Spitze einer nicht explodierten Uragan-Rakete.

Die hat angeblich die ukrainische Armee im Kampf gegen die Rebellen in den vergangenen Monaten auf Donezk abgeschossen. Das Turnier hat kein Publikum - dafür sprechen Bogdanow und seine Kollegen ihre Botschaft in die Kameras russischer Fernsehsender.

Echten Wahlkampf haben die Separatisten nicht nötig

Das Turnier ist typisch für die Art, wie die Separatisten und Moskau die sogenannten Wahlen in Donezk und der zweiten Rebellenhochburg Luhansk vorbereiten. Opposition gegen das Rebellenregime, proukrainische Parteien gar gibt es hier seit Monaten nicht mehr. So haben es die Separatisten auch nicht nötig, echten Wahlkampf zu führen. Sie ersetzen ihn durch kamerawirksame Propagandaveranstaltungen mit russischer Beteiligung.

Bereits am Dienstag trat im Theater von Donezk der russische Sänger Joseph Kobson auf, ein Mann mit besten Kontakten zur Moskauer Elite einschließlich des Präsidenten Wladimir Putin. Standesgemäß wurde Kobson, dem die Ukraine die Einreise verweigert, über einen von den Rebellen kontrollierten Grenzpunkt nach Donezk geschleust - und von 70 Musikern der zum russischen Innenministerium gehörenden "Inneren Streitkräfte" begleitet. Zum Abschluss des Konzertes sang er ein Duett mit Alexander Sachartschenko: Dieser ist, seit Moskau im August den zuvor die Rebellen kommandierenden russischen Geheimdienstoberst Igor Girkin ("Strelkow") zurück nach Moskau befohlen hat, zumindest vor den Kulissen der Anführer der Rebellen.

Der Wahlsieger steht quasi schon fest

Sowohl die über die ganze Stadt verteilten Großporträts des noch vor ein paar Monaten in Donezk völlig unbekannten Elektromechanikers Sachartschenko wie auch die von den Separatisten verbreiteten Ergebnisse angeblicher Umfragen deuten darauf hin, dass Sachartschenko Chef der Separatisten bleiben soll. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte in einem Iswestija-Interview an, Russland werde die "Wahlergebnisse" der Rebellen "selbstverständlich anerkennen".

Zwar widersprechen die Wahlen in Donezk und Luhansk sowohl der ukrainischen Verfassung wie dem Minsker Protokoll - dem am 5. September von den Rebellen, Vertretern Kiews, der OSZE und dem russischen Botschafter unterschriebenen Friedensplan für die Ostukraine. Doch solche Tatsachen werden den Donezkern kaum noch unterbreitet: An ihren Kiosken liegen nur noch Flugblätter der Rebellen und Moskauer Zeitungen aus.

© SZ vom 31.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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