Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Siedlungspolitik:Peres warnt vor Boykott-Drohungen gegen Israel

"Sanktionen sind Unfug": Israels Präsident Schimon Peres wehrt sich im SZ-Interview gegen eine Isolierung seines Landes. Der Staatschef entwirft die Vision eines Nahen Ostens, der sich vom alten Streit um Territorien gelöst hat und auf einen Austausch von Wissen setzt.

Israels Präsident Schimon Peres hat vehement alle Boykott-Drohungen gegen Israel wegen der Siedlungspolitik zurückgewiesen. "Sanktionen sind Unfug", sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Wer jetzt droht oder mit Sanktionen liebäugelt, macht alles schlimmer." Ausdrücklich richtete er sich dabei an "Deutschland und Europa, die uns bisher immer geholfen haben, in dem sie uns unterstützt haben".

Die Boykott-Debatten überschatten derzeit die Beziehungen Israels mit seinen westlichen Verbündeten. Sowohl von den USA als auch von der Europäischen Union wird die Regierung in Jerusalem gewarnt, dass ein Scheitern des Friedensprozesses zu einer zunehmenden Isolierung des jüdischen Staats und hohen wirtschaftlichen Einbußen führen könnte.

Die EU lehnt zwar einen Boykott ab, hat aber in jüngerer Zeit verschiedene Maßnahmen ergriffen, die sich gezielt gegen die jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland richten. Private Finanzinstitute und Unternehmen schränken überdies bereits ihre Geschäftsbeziehungen zu israelischen Partner ein. Peres sieht darin im Einklang mit Teilen der israelischen Regierung eine wachsende Bedrohung. "Man muss die Dinge steuern, indem man den Wandel unterstützt, nicht indem man bestraft", fordert er.

Optimistisch zeigte sich der 90 Jahre alte Staatschef über Fortschritte im Friedensprozess. "Wir müssen diesen alten Konflikt loswerden", sagte er. Es sei "keine Alternative, mit Steinen und Bomben zu leben". Allerdings schränkte er ein, "es bedarf einer starken Führung". Ausdrücklich lobte er die "Hilfe" von US-Außenminister John Kerry, der aus der israelischen Regierung heraus in den vergangenen Wochen wegen seiner Vermittlungsbemühungen massiv kritisiert worden war.

Einen Kompromissvorschlag brachte Peres in den Streit um die von Premierminister Benjamin Netanjahu geforderte explizite Anerkennung Israel als jüdischer Staat ein. "Im abschließenden Text könnte von zwei Staaten die Rede sein: einem jüdischen Staat namens Israel und einem arabischen Staat namens Palästina", sagte er.

Als Vision entwarf er einen Nahen Osten, der sich vom alten Streit um Territorien gelöst hat und auf einen Austausch von Wissen setzt. Israel könne als Start-up-Nation ein "Lehrbeispiel" für die Nachbarländer sein. Es sei die Aufgabe globaler Unternehmen, den dafür notwendigen Wandel in der arabischen Welt durch gezielte Investitionen zu befördern. Dies passt zu einem von Kerry initiierten Plan, der zur Unterstützung des Friedensprozesses ein vier Milliarden Dollar umfassendes Investitionsprogramm für die Palästinensergebieten vorsieht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Montag mit dem gesamten Kabinett zu den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen nach Jerusalem kommt, lobte er als "vertrauenswürdig und von hoher Ernsthaftigkeit". Am Dienstag wird Peres der Kanzlerin wegen ihres Einsatzes für die deutsch-israelische Freundschaft und gegen Antisemitismus den höchsten israelischen Orden, die "Präsidenten-Medaille", verleihen.

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