Umstrittene Parlamentsentscheidung:EU rügt verschärftes Demonstrationsrecht in der Ukraine

Die Europäische Union ist beunruhigt, die ukrainische Opposition entsetzt: Das von der Regierungspartei dominierte Parlament in Kiew streicht die Rechte für Demonstranten zusammen. Ex-Regierungschefin Timoschenko spricht von einem "Krieg gegen das eigene Volk".

Die Europäische Union hat die deutliche Verschärfung der Regeln für Demonstrationen durch das ukrainische Parlament kritisiert. Sie sei "zutiefst beunruhigt" wegen der Vorgänge in Kiew, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel.

Die getroffenen Entscheidungen bezeichnete sie als "überstürzt". Sie schränkten die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in dem Land ein und trügen nicht zur Stärkung des Vertrauens bei.

Auch die Bundesregierung kritisierte die Einschnitte in die Freiheitsrechte. Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, der von Präsident Viktor Janukowitsch eingeschlagene Kurs "führt in eine Sackgasse." Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Anzeichen der Einschüchterung beobachte die Bundesregierung mit großer Sorge.

Angesichts wochenlanger Proteste der pro-westlichen Opposition hatte das ukrainische Parlament das Demonstrationsrecht massiv verschärft. In einer turbulenten Sitzung erhöhte die Oberste Rada in Kiew die Haftdauer für die Blockade und Besetzung von Regierungsgebäuden. Das Parlament stellte zudem Vermummungen auf Demonstrationen sowie Verleumdung und "extremistische Aufrufe" im Internet unter Strafe.

Die Opposition um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko und die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko kritisierte die Änderungen als "diktatorisch" und "Krieg gegen das eigene Volk". Die Regierungsgegner fordern stärkere Hinwendung der Ex-Sowjetrepublik zum Westen. Vor dem Parlament demonstrierten Tausende Anhänger des prorussischen Präsidenten Janukowitsch.

"Besorgniserregende" Gesetze

Der Staatschef muss die Gesetze nun noch unterschreiben, damit sie in Kraft treten. Zudem beschlossen die Abgeordneten, dass Parlamentarier nun schneller ihre Immunität verlieren können, die sie vor Strafverfolgung schützt. Wie in Russland werden Nichtregierungsorganisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland als "ausländische Agenten" gebrandmarkt. Im Strafprozessrecht soll künftig eine Verurteilung in Abwesenheit möglich sein. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck nannte die Gesetze "besorgniserregend".

Beobachter schließen nicht aus, dass sich die Änderungen auch gegen die inhaftierte Oppositionsführerin Timoschenko richten. Der Politikerin drohen in einem umstrittenen Prozess zwölf weitere Jahre Haft wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung. Die 53-Jährige hatte unter Verweis auf ein schweres Rückenleiden mehrfach eine Gerichtsvorladung abgelehnt.

Seit dem 1. Dezember 2013 halten Regierungsgegner in Kiew Rathaus und Gewerkschaftszentrale besetzt. Hunderte campen seit fast zwei Monaten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan). Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem Janukowitsch eine Annäherung an die EU auf Druck Russlands auf Eis gelegt hatte.

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