Der Bundespräsient lehnt offenbar die Veröffentlichung des umstrittenen Telefonanrufs bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ab. Das Präsidialamt veröffentlichte ein Schreiben Wulffs, in dem er darauf hinweist, dass er sich bei Diekmann persönlich bereits entschuldigt habe. "Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben", schrieb Wulff.
Diekmann habe die Entschuldigung angenommen. Es erstaune ihn daher, dass Teile der Mailbox-Nachricht "über andere Presseorgane den Weg in die Öffentlichkeit gefunden" hätten. "Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt", erklärt Wulff in dem Schreiben.
Die Bild-Zeitung hat die Entscheidung des Bundespräsidenten bedauert, die Mailbox-Nachricht nicht freizugeben: "Damit können die im Zusammenhang mit dem Fernseh-Interview des Bundespräsidenten entstandenen Unstimmigkeiten, was das Ziel seines Anrufes angeht, nicht im Sinne der von ihm versprochenen Transparenz aufgeklärt werden", teilte die Chefredaktion mit.
Das Boulevardblatt wollte die umstrittenen Äußerungen von Wulff auf der Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann veröffentlichen. Das Blatt hatte in einem Brief an Wulff angekündigt, es wolle den Wortlaut der Mailbox-Nachricht publizieren, "um Missverständnisse auszuräumen, was tatsächlich Motiv und Inhalt Ihres Anrufs angeht".
"Wir möchten dies nicht ohne Ihre Zustimmung tun und bitten Sie deshalb im Sinne der von Ihnen angesprochenen Transparenz um Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung", heißt es in dem Schreiben.
Nach den bisherigen Angaben der Zeitung hatte Wulffs Mailbox-Nachricht bei Diekmann das Ziel, einen unliebsamen Artikel über seine Kredite für einen Hauskauf in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachen zu verhindern. Der Bundespräsident widersprach dieser Darstellung jedoch in einem Interview mit ARD und ZDF und sagte, er habe lediglich einen Aufschub um einen Tag erreichen wollen.
Zu dem Interview mit den beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten hatte sich Wulff entschlossen, nachdem der Druck auf ihn immer größer geworden war, sich endlich umfassend zu den Vorwürfen zu erklären.
Dass Wulff nun lediglich den Zeitgewinn als Ziel seines Anrufs bei Bild ausgibt, habe die Zeitung "mit Verwunderung" zur Kenntnis genommen, schreibt Diekmann weiter in dem Brief an den Bundespräsidenten. Einer solchen Bitte sei das Blatt noch dazu bereits einmal nachgekommen, nämlich unmittelbar nachdem die Redaktion Wulff den Fragenkatalog zum Hauskredit am 11. Dezember 2011 übermittelt hatte. Die damals nach der verlängerten Frist gegebenen Antworten habe Wulff kurzfristig wieder zurückgezogen und anschließend auf Diekmanns Mailbox gesprochen.
Was genau der Bundespräsident von Kuwait aus auf der Mailbox des Chefredakteurs hinterlassen hat, ist seit Tagen Gegenstand von Spott, Diskussionen und Spekulationen. Bislang sind nur Auszüge bekannt. Insbesondere Wulffs Satz "Bin gerade auf dem Weg zum Emir" wird nicht nur in Webforen tausendfach analysiert und ist dabei, eine Art geflügeltes Wort zu werden.
Der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust scheint mehr zu wissen: In einem Radio-Interview mit dem NDR sagte er: "Wulffs Anruf war ein sehr klare, präzise und kontrollierte Kampfansage. Das weiß ich definitiv." Der Anruf bei Diekmann sei so etwas wie ein "politisches Selbstmordkommando", so Aust in einem weiteren Interview mit WDR 2. Dass jemand Drohungen auf einer Mailbox hinterlasse, habe er noch nicht erlebt. "So etwas Irres, ehrlich gesagt, ist mir noch nie vorgekommen".
Mit der Frage, ob Wulff die Bild-Berichterstattung verhindern oder (abermals) "nur" verschieben wollte, treibt das Boulevardblatt ihn in die Enge: Verschließt sich Wulff der nun erfolgten Veröffentlichungs-Bitte der Bild-Zeitung, dürften weitere Vorwürfe laut werden, er verheimliche weiterhin etwas. Kommt er der Bitte jedoch nach, könnte er erneut dabei ertappt werden, die Unwahrheit gesagt zu haben - denn warum sollte Bild-Chefredakteur Kai Diekmann eine Veröffentlichung des Mitschnitts anbieten, wenn er sich einer Sache nicht absolut sicher wäre.