Umstrittene Anzeige der SPD:Spiel nicht mit den Ulbricht-Sätzen

Wer glaubte, die deutschen Politiker hätten hinzugelernt, was historische Vergleiche betrifft, sieht sich getäuscht: Die SPD vergleicht in einer Anzeige Kanzlerin Merkel mit dem einstigen DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht - und schadet mit dieser blamablen Remineszenz nur sich selbst.

Susanne Höll

Wer glaubte, die deutschen Politiker hätten hinzugelernt, was historische Vergleiche betrifft, sieht sich getäuscht. Dabei gab es eigentlich Grund zur Hoffnung. Selbst schlichte Gemüter verstehen inzwischen, dass man auf Vergleiche mit dem Nationalsozialismus besser verzichtet. Und in der Union werkelt dankenswerterweise kein Stratege mehr an Rote-Socken-Kampagnen.

Doch wenn man meint, die Dinge wandeln sich zum Guten, kommen die Sozialdemokraten mit einer Anzeigenkampagne in Zeitungen daher.

Darin zieht die SPD-Bundestagsfraktion eine Verbindung zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem einstigen DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht. Der hatte im Juni 1961 wider besseres Wissen behauptet: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" Zwei Monate später schritt er zur Tat. Und nun schrecken die Sozialdemokraten nicht davor zurück, mit dem ersten Teil ebenjenes Zitats den Zickzackkurs der Kanzlerin beim Atomausstieg und der Euro-Rettung zu geißeln. Damit haben sie allerdings nicht der Regierung und Angela Merkel geschadet, sondern sich selbst. Denn diese Reminiszenz ist in mehrfacher Hinsicht blamabel.

Auch wer wenig von den Regierungskünsten Merkels hält, käme nicht auf den Gedanken, die Kanzlerin habe die Deutschen mit ihren politischen Volten bewusst getäuscht. Und eine ostdeutsche Christdemokratin per Anzeige in die Nähe eines Stalinisten zu rücken, ist schlichtweg geschmacklos. Mit der Geschichte soll man nicht Schindluder treiben. Die SPD macht sich ja Hoffnungen, sie könne bald wieder regieren. Sie sollte stattdessen noch üben, eine gute Opposition zu sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: