Umgangsrecht:Wenn der biologische Vater das Nachsehen hat

  • Ein Nigerianer klagt auf Umgangsrecht und bekommt vom Bundesgerichtshof Recht - es ist das erste BGH-Urteil zum erleichterten Besuchsrecht.
  • Allerdings wird es laut BGH wohl notwendig sein, die Kinder von Amts wegen über ihre wahre Abstammung zu informieren.
  • Der Mann hat seine Kinder bis heute nicht gesehen.

Von Wolfgang Janisch

Der Mann aus Nigeria war damals 43, und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte war - so schien es - sein Durchbruch im jahrelangen Kampf um gelegentliche Kontakte zu seinen leiblichen Töchtern. 2003 war er nach Deutschland gekommen, zwei Jahre lang war er fest mit einer verheirateten Mutter dreier Kinder liiert, dann wurde sie schwanger. Es waren Zwillinge, aber vier Monate vor der Geburt im Jahr 2005 kehrte die Frau zum Ehemann zurück.

Der ausgebootete Vater klagte auf Umgangsrecht, gewann beim Amtsgericht, scheiterte beim Oberlandesgericht Karlsruhe und setzte sich schließlich - die Mädchen waren damals fünf Jahre alt - im Dezember 2010 spektakulär beim Menschenrechtsgericht durch: Leibliche Väter müssen grundsätzlich eine Chance auf gelegentliche Besuche bei ihren Kindern haben, wenn es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, dekretierte das Gericht. Nun könnten "etliche Tausend" Väter hoffen, jubelte ein Interessenverband. Das deutsche Recht, das dies nur ermöglicht, wenn bereits eine soziale Beziehung bestand, wurde 2013 geändert.

Inzwischen ist der Mann aus Nigeria 49, die Mädchen sind elf. Gesehen haben sie sich immer noch nicht, aber im Kampf um die Kinder hat er gerade wieder einen Sieg errungen. 2011 hatte sein Anwalt Rainer Schmid erneut das Umgangsrecht beantragt. Das Amtsgericht gab ihm recht - ein begleiteter Besuch pro Monat -, aber das OLG Karlsruhe stellte sich erneut quer. Begründung: Die Mutter und ihr Ehemann wären mit der Situation überfordert; für die Frau wäre das Auftauchen des Mannes, mit dem sie einst ein neues Leben anfangen wollte, eine "Horrorvorstellung". Ebendieses Urteil hat nun der Bundesgerichtshof einkassiert; es könnte, nun ja, der Durchbruch sein.

Für das Besuchsrecht muss alles auf den Tisch

Es ist das erste BGH-Urteil zum erleichterten Besuchsrecht. Laut Gericht gibt es natürlich nach wie vor keinen Automatismus, entscheidend ist das Kindeswohl. Dafür muss alles auf den Tisch - Belastbarkeit der Familie, Beziehungskonstellation, Konfliktniveau. Der BGH sagt aber auch: Allein an der Weigerung der Eltern darf das Recht des fremden Vaters nicht scheitern - sonst liefen Gesetz und Menschenrechts-Urteil ins Leere. Also geht der Fall zurück ans OLG Karlsruhe, ein neuer Gutachter muss die Sache klären.

Brisant an dem Urteil ist aber etwas anderes. Laut BGH wird es wohl notwendig sein, die Kinder von Amts wegen über ihre wahre Abstammung zu informieren. Dazu könne man den Eltern eine Frist setzen oder einen Psychologen einschalten. Aber ohne Kenntnis der Kinder lasse sich nun mal kaum ermitteln, ob ihr Kontakt zum leiblichen Vater ihrem Wohl diene. Bisher wissen die Zwillinge angeblich nichts von dem biologischen Vater; dass er schwarz ist, soll ihnen nach Angaben des Gutachters jedenfalls nicht so eindeutig anzusehen sein.

Das Gericht bricht das Familiengeheimnis? Grundsätzlich gehört es zum Recht der Eltern, den Schleier um die Vaterschaft zu lüften, wann man es für richtig hält - das sagt auch der BGH. Nur steht auf der anderen Seite ebenfalls ein Vaterrecht. Der Konflikt könnte ein Fall fürs Verfassungsgericht werden. Irgendwann zwischen Pubertät und Volljährigkeit der Zwillinge.

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